Historisch-epigraphische Studien in Venezien.
Im Sommer des Jahres 1918 bereisteich
im Aufträge des Wiener archäologischen In-
stitutes von Udine aus das besetzte Gebiet
zur Sicherung des besonders durch Flieger-
angriffe gefährdeten Antikenbesitzes. Dabei
hatte ich Gelegenheit, nicht nur die Denk-
mäler und Inschriften in den Sammlungen
von Udine, Cividale und Portogruaro, sondern
auch die meisten am flachen Lande ver-
streuten Antiken zu besichtigen. Wie bei
jeder solchen Revision ergaben sich auch
diesmal eine Reihe von Beobachtungen sowie
einzelne kleinere Probleme. Die Resultate
dieser Arbeit teile ich nun im folgenden mit.
Leider mußte ich die Auswahl beschränken,
da fast das gesamte Abbildungsmaterial beim
Rückzuge im Monate November 1918 verloren
gegangen ist.
Die älteste Inschrift von Tricesimo.
Zu den bedeutenderen Stücken der wohl-
geordneten Sammlung von Cividale zählt eine
Bauinschrift republikanischer Zeit, die im
Jahre 1902 auf der Flur Chiasaj, knapp beim
Orte Tricesimo, an der nach Osten gegen
Adorgnano zu führenden Straße gefunden
worden ist"). Die Fundstelle liegt in un-
mittelbarer Nähe der antiken Straße, die von
Aquileia nach Virunum führt. Außer Quadern
und Ziegelstücken wurde laut Bericht keinerlei
Mauerwerk angetroffen, doch scheint die Unter-
suchung nicht weiter ausgedehnt worden zu
sein. Die Inschrift steht auf einem Block
(breit 0*48 hoch 0*40 Durchmesser etwa
0*23^) mit rohen Seitenflächen und grob
zurechtgehauener Rückseite, ihre Züge weisen
auf die erste Hälfte des ersten vorchristlichen
Jahrhunderts, sie gehört also mit zu den
ältesten des ager Venetus. Die Lesung ist mit
Ausnahme von Z. 2 durchaus klar:
Ti'CARM!N!VS-Tt-F 0035^
P-ANN!VS-M-F-Pk 0-05*"
P-ANNtVS-Q-F-Q 0045^
SEX-TERENT!VS-CF 0-04*"
5 PORTAS'MVROS 004^
EXS-C-LOCAVERE 003^
EtDEMQ-PROBAVE 0-03^
Sticotti las (a. a. O.) Z. 2 Ende: P N —
jP(u&h') 77(epos), dachte daher Z. 3 ebenso an
die Angabe des Großvaters, wobei das fehlende
N am anschließenden Block gestanden habe.
An Ort und Stelle konnte ich mich überzeugen,
daß fürs erste zwischen P und N kein Punkt
gesetzt ist, dann daß der zweite Buchstabe nur
ein R sein kann. Dadurch bekommt der Text
einen anderen Inhalt: Th'(&erius) Cormimus
/(ifius) ] P(nMins) Ami/us M(arcf)
/(//ins) pr(ae?ores) ] P(nM;'u3) vUm/us O(umü')
/(i/ius) <7(uaes?or) [ <Sez(?us) rerenü'HS C(a?')
/(ifiMS) I p07'?ÜS 777777'OS ] 3 s(e770/H$) c(077SH??o)
/ocuuere ) e7de777g(ue)p7'o&a77e(re). Zunächst fällt
nun die ungewöhnliche Zusammensetzung der
Kollaudierungskommission aus zwei Prätoren,
dem Quästor und einem Privatmann auf.
Da die Lesung pr(ac?orcs) feststeht, hatte ich an-
genommen, daß Q Z. 3 Ende auch zum folgen-
den Namen zu ziehen ist und wegen der
Kürze des Namens in Z. 3 dort Platz gefunden
hat, wie die Amtsbezeichnung bei ähnlichen
Inschriften des öfteren an den Rand gesetzt
erscheint (z. B. CIL I 1471 — Ritschl, PLME
tab. LIII a; CIL P 1731). Doch mehr Wahr-
casaü, ca.soio/'L Die Inschrift ausführlich besprochen
von P. Sticotti, Memorie storiche forogiuliesi IX
1913 P- 373—379-
i) Gius. Costantini in den Pagine friulane XVI
1904 p. 60 f. Derselbe über den Flurnamen im
Toponomastico di Tricesimo 2 1912 p. 14 c/a'asm —
20'
Im Sommer des Jahres 1918 bereisteich
im Aufträge des Wiener archäologischen In-
stitutes von Udine aus das besetzte Gebiet
zur Sicherung des besonders durch Flieger-
angriffe gefährdeten Antikenbesitzes. Dabei
hatte ich Gelegenheit, nicht nur die Denk-
mäler und Inschriften in den Sammlungen
von Udine, Cividale und Portogruaro, sondern
auch die meisten am flachen Lande ver-
streuten Antiken zu besichtigen. Wie bei
jeder solchen Revision ergaben sich auch
diesmal eine Reihe von Beobachtungen sowie
einzelne kleinere Probleme. Die Resultate
dieser Arbeit teile ich nun im folgenden mit.
Leider mußte ich die Auswahl beschränken,
da fast das gesamte Abbildungsmaterial beim
Rückzuge im Monate November 1918 verloren
gegangen ist.
Die älteste Inschrift von Tricesimo.
Zu den bedeutenderen Stücken der wohl-
geordneten Sammlung von Cividale zählt eine
Bauinschrift republikanischer Zeit, die im
Jahre 1902 auf der Flur Chiasaj, knapp beim
Orte Tricesimo, an der nach Osten gegen
Adorgnano zu führenden Straße gefunden
worden ist"). Die Fundstelle liegt in un-
mittelbarer Nähe der antiken Straße, die von
Aquileia nach Virunum führt. Außer Quadern
und Ziegelstücken wurde laut Bericht keinerlei
Mauerwerk angetroffen, doch scheint die Unter-
suchung nicht weiter ausgedehnt worden zu
sein. Die Inschrift steht auf einem Block
(breit 0*48 hoch 0*40 Durchmesser etwa
0*23^) mit rohen Seitenflächen und grob
zurechtgehauener Rückseite, ihre Züge weisen
auf die erste Hälfte des ersten vorchristlichen
Jahrhunderts, sie gehört also mit zu den
ältesten des ager Venetus. Die Lesung ist mit
Ausnahme von Z. 2 durchaus klar:
Ti'CARM!N!VS-Tt-F 0035^
P-ANN!VS-M-F-Pk 0-05*"
P-ANNtVS-Q-F-Q 0045^
SEX-TERENT!VS-CF 0-04*"
5 PORTAS'MVROS 004^
EXS-C-LOCAVERE 003^
EtDEMQ-PROBAVE 0-03^
Sticotti las (a. a. O.) Z. 2 Ende: P N —
jP(u&h') 77(epos), dachte daher Z. 3 ebenso an
die Angabe des Großvaters, wobei das fehlende
N am anschließenden Block gestanden habe.
An Ort und Stelle konnte ich mich überzeugen,
daß fürs erste zwischen P und N kein Punkt
gesetzt ist, dann daß der zweite Buchstabe nur
ein R sein kann. Dadurch bekommt der Text
einen anderen Inhalt: Th'(&erius) Cormimus
/(ifius) ] P(nMins) Ami/us M(arcf)
/(//ins) pr(ae?ores) ] P(nM;'u3) vUm/us O(umü')
/(i/ius) <7(uaes?or) [ <Sez(?us) rerenü'HS C(a?')
/(ifiMS) I p07'?ÜS 777777'OS ] 3 s(e770/H$) c(077SH??o)
/ocuuere ) e7de777g(ue)p7'o&a77e(re). Zunächst fällt
nun die ungewöhnliche Zusammensetzung der
Kollaudierungskommission aus zwei Prätoren,
dem Quästor und einem Privatmann auf.
Da die Lesung pr(ac?orcs) feststeht, hatte ich an-
genommen, daß Q Z. 3 Ende auch zum folgen-
den Namen zu ziehen ist und wegen der
Kürze des Namens in Z. 3 dort Platz gefunden
hat, wie die Amtsbezeichnung bei ähnlichen
Inschriften des öfteren an den Rand gesetzt
erscheint (z. B. CIL I 1471 — Ritschl, PLME
tab. LIII a; CIL P 1731). Doch mehr Wahr-
casaü, ca.soio/'L Die Inschrift ausführlich besprochen
von P. Sticotti, Memorie storiche forogiuliesi IX
1913 P- 373—379-
i) Gius. Costantini in den Pagine friulane XVI
1904 p. 60 f. Derselbe über den Flurnamen im
Toponomastico di Tricesimo 2 1912 p. 14 c/a'asm —
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