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Pauli, Gustav; Hamburger Kunsthalle
Führer durch die Galerie der Kunsthalle zu Hamburg (1): Die neueren Meister — Hamburg: Verlag der "Freunde der Kunsthalle" e.V. zu Hamburg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.53297#0020

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Kunst, so daß keiner sich ihr zu entziehen vermochte.
Und doch regte sich zugleich und besonders in Deutsch?
land ein Bestreben von anderer Art, das die geschlossen
nen Formenkreise zu sprengen vermeinte. Hier suchte
man leidenschaftlich kühn die Natur mit Geistesmacht
zu durchdringen, sie sich anzueignen, indem man sie
beseelte, sich eins mit ihr fühlte. Die Bewegung war
neu und alt zugleich, denn sie schöpfte ihre Bekräftigung
aus den Schriften der Mystiker, von denen zumal
Jakob Böhme damals neu entdeckt wurde. Ihre Träger
waren die deutschen Romantiker, die Dichter und
Philosophen. In Berührung mit ihnen erwachte Runges
Genius. Man hat ihn den Maler der Romantik genannt.
Gewiß, keiner läßt sich mit gleichem Rechte so nennen.
Nur wäre das eine vorab zu sagen, daß die Gesinnung
der Romantik ihren vollgültigen Ausdruck vielmehr in
der Musik und in der Literatur als in der bildenden
Kunst gefunden habe. Denn eben das Unbestimmte,
Grenzenlose ihrer Absichten widerstrebte dem klareren
Ausdruck anschaulicher Form.
Eine gewisse Zwiespältigkeit, die wir hieraus ahnen,
erfüllt allerdings Runges Kunst. Er war auf der Kopen?
hagener Akademie im klassizistischen Sinne gebildet
worden, um dann in Dresden im Verkehr mit Ludwig
Tieck seiner selbst gewiß zu werden. Angesichts seiner
Schöpfungen haben wir daher bisweilen den Eindruck,
daß sie sich einer Sprache bedienen, die ihrem Geiste
widerstrebt. Dies wird namentlich deutlich angesichts
der Zeichnungen und Gemälde zu den Tageszeiten.
Die Tageszeiten oder Zeiten, wie Runge sie auch wohl
kurz genannt hat, sind das Hauptwerk und zugleich die
Tragödie seines Künstlerdaseins. Von ihnen hat man

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