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Pauli, Gustav; Hamburger Kunsthalle
Führer durch die Galerie der Kunsthalle zu Hamburg (1): Die neueren Meister — Hamburg: Verlag der "Freunde der Kunsthalle" e.V. zu Hamburg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.53297#0019

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II.
PHILIPP OTTO RUNGE
Saal 35, Kabinett 40
Den ersten Raum der modernen Galerie beherrscht
Runge mit dem besten Rechte, denn er bezeichnet
den Anfang eines neuen Abschnittes unserer deutschen
Kunst, der zufällig ziemlich genau mit dem Beginn des
neunzehnten Jahrhunderts zusammenfällt. Diese histo*
rische Bedeutung kommt Runge nicht wegen seines
Einflusses auf seine Zeitgenossen zu, denn dieser war
nicht groß. Runge lebte in Hamburg abseits vom großen
Schulbetriebe und wurde in den entfernteren Gebieten
Deutschlands zu seinen Lebzeiten nur durch die Kupfers
Stiche nach seinen Entwürfen der vier Jahreszeiten
bekannt. Wohl aber gebührt unserm Meister ein Ehrens
platz als dem würdigsten und reinsten Repräsentanten
des Zeitwillens. Daß er als solcher erst spät erkannt
wurde, mindert seinen Rang keineswegs.
Hinter ihm lag die Formenwelt des Rokoko. Der letzte
Stil des alten Europa, der diesen Namen verdient, da
er, mit dem Dasein einer herrschenden Gesellschaft
innig verknüpft, alle Lebenskreise durchdrang, war er*
schöpft. Die gefälligen und anmutigen Genien, die ihn
beseelten, waren allmählich entwichen, um dem Geiste
einer strengeren Formgerechtigkeit Platz zu machen, die
sich auf die Antike als auf ein ewiges Muster berief.
Auch in Deutschland hatte die neue Lehre Eingang
gefunden, eben weil solcher Stilwandel eine europäische
Angelegenheit war. Eine nüchtern zierliche Regelmäßig*
keit erfüllte die Architektur und jede Art von dekorativer

X- 15 *
 
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