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Prähistorische Blätter — 6.1894

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Nr. 5
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Söderberg, Sven: Die Thierornamentik der Völkerwanderungszeit, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.32977#0098
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68

Die Tliieromamentik der Volkerwanderungszeit.

Kunst merowingisch. Eine christliche Kunst, welche
die Motive der altchristlichen reproducirte, wurde in ver-
schiedenen Theilen des Abendlandes weiter ausgeübt;
aber erst in den letzten Zeiten der inerowingischen
Epoche übte sie einen Einfluss auf die barbarische
Kunst aus.

Der germanische oder merowingische Stii besteht aus
römischen Elementen. Die Mehrzahl der Eormen kann
leicht aus römischen Yorbildern abgeleitet werden-, und
ebenso ist die ganze lineare Ornamentik römisch. Nur über
die Erage nach dem Ursprung der 'Thierornamentik, welche
für die merowingische Kunst besonders charakteristisch ist,
sind die Archäologen noch nicht einig. Desshalb werde
ich versucheu, diese Frage ifler kurz zu iösen, verweise aber
zugleich die sich weiter dafür Interessierenden auf meine
in der ,,Antiqvarisk Tidskrift för Sverige.“ Elfte Delen,
tredje Häftet, abgedruckte grössere Arbeit: „Om djurorna-
mentiken under folkvandringstiden.“

Yon den Untersuchungen über die Thierornamentik
der merowingischen Kunst sind nur zwei zu erwähnen. In
einer Abhandlung vom Jahre 1876 hat H a n s H i 1 d e-
b r a n d die Zeichnung des unter Fig. 1 abgebildeten Schwert-

knopfes veröffentlicht und die Ver-
muthung ausgesprochen, dass die
hier dargestellten beiden Thiere
Nachahmungen von Löwen sind,
Fig. i. die auf ein römisches Original

hinweisen. Diese während einer langen Epoche imraer
wieder nachgeahmten 'Thierbilder nahmen im Verlaufe
der Zeit eine mehr und mehr barbarische Eorm an,
bis sie endlich schlangenähnlich wurden. Hildebrand hebt
dabei hervor, dass die Schlange nicht das Motiv dieser Or-
namente sein kann, da die dargestellten Thiere gewöhnlich
Eüsse haben. Auch sind die Köpfe keine Schlangenköpfe!

In seinem beriihmten Werke „The industrial arts of
Scandinavia“ (London, 1883) greift der gelehrte Verfasser
diese Untersuchung wieder auf und nimmt noch bestimmter

1) Unter clen Ornamenten, welche die merowingische Kunst wälirend
ihrer letzten Zeit von der christlichen Kunst enlehnt, ßuden sich auch
Thiere, wie der Löwe, der Greif und der Vogel. Diese Thiere, welche sich
durch den Naturalismus ihrer Formen auszeichnen, begegnen uns mit or-
namental gehaltenen Thieren auderen Ursprungs und ganz anderen Aus-
sehens.
 
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