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Prähistorische Blätter — 6.1894

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Nr. 6
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Ausgrabungen und Funde
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https://doi.org/10.11588/diglit.32977#0137
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Ausgrabungen uncl Funde.

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und ungarische. Der Fund wird der Forscbung mancherlei Anhalt zur
Feststellung der Verkehrsverhältnisse und der Technik der damaligen Zeit
bieten und ist desshalb von wissenschaftlichem Werth.

Seit dem Jahre 1858, wo der Abbe Baudry in der Vendee eine
Reihe von mehr oder weniger tiefen „Brunnen“ mitten unter Resteu von
antiken Wohnungen leeren liess, spielen die puits funeraires, sagen wir
„ Leichengruben“, eine grosse Roile in der französischen Archäologie; fast
in jedem Jahrgang der betreffenden Zeitschriften kaon man leseu, dass in
der oder jener französischen Stadt, die ihren Ursprung in Römerzeiten hat,
eiu puit funeraire gefunden sei, d. h. eine tiefe Grube, in der die Leichen
mit mehr oder weniger kostbarem Hausrath beigesetzt wurden. Die Tiefe
dieser Gruben ist ganz verschieden; meist sind sie nur einen oder zwei
Meter tief, es gibt aber auch solche, die bis zu 14 Meter Tiefe hinabgehen.
Alle enthielten ohne Ausnahme in grösserer oder geringerer Masse ein
schwärzliches Erdreich, dem Thierknochen und Reste von Gefässen sich
beigemischt fanden; hier und da stiess man auch auf einen alten Nagel,
ein zerbrochenes Werkzeug, ein Stiick Holz; in einer solchen Grube fand
man auch ein Paar Männerschuhe, einen Kinderscbuh in einer andern; in
einer dritten stiess man gar auf fünf Schuhe, die in verschiedenen Höhen
lagen. Auch Geldstiicke, Schlüssel, ja sogar Reste von Terrakottastatuetteu
fanden sich vor. Der Abbe Baudry schloss daraus, dass diese Gruben zu
Begräbnissen gedient hätten, und der Name, den er ihnen desshalb gab,
puits funeraires, hat sich bis heute gehalten. Aber ein anderer Franzose,
M. Lievre, der neuerdings diese Gruben unter günstigen Umständen unter-
suchen konnte, hat herausgefunden, dass Abbe Baudry ein übles Versehen
untergelaufen ist, dass er Gruben für Gräber gehalten hat, die in Wirklich-
keit einen ganz andern Zweck zu erfüllen hatten. Zunächst stellte sich
heraus, dass diese Gruben sich stets rnitten in den gallorömischen Ansied-
lungen befanden; ja an einem Orte zeigte sich, dass die Mündung der Grube
in einem kleinen Zimmer sich befand, und dass die kreisförmige ganz regel.
mässige Oeifnnng im Fussboden ausgespart war. Ein ander Mal fand sich
die Oeffnung in einem Raum dicht bei der Kiiche und zwar noch versehen
mit den Röhren, die dem Küehenwasser e-inen Abfluss hach der Grube ge-
statteten, kurz, es hat sich deutlich herausgestellt, dass diese Gruben nicht
zur Bestattung dienten, sondern einem andern, bei weitem gewöhnlicheren
Zweck zu dienen bestimmt waren. Sie liefern eben den deutlichen Beweis,
dass 'dje Kanalisation, die alle Senkstoffe fortführt, damals noch nicht ein-
geführt war.

In C h a 1 d ä a , auf dem Gebiete des Tello, hat der durch seine Forsch-
ungen rühmlichst bekannte de Sarzec (französischer Generalkonsul) wieder
neue und für die Wissensehaft wichtige Funde gemacht. Sie bestehen aus
circa 30,000 Thontafeln mit Keilinschriften; repräsentiren also ein Archiv
von Urkunden, wie jene in Ninive, Niffen und Sipara gefundenen. Die
Thontafeln vou Teilo wurden von de Sarzec in einem Hügel entdeckt, der
200 m von demjenigen entfernt ist, in welchem er früher die Gebäude der
ältesten Könige bloslegte. Schmale aus Luftziegeln erbaute Galerien be-
herbergten die in 5—6 Reihen übereinander aufgestellten Thontafeln. Die
Mehrzahl derselben besteht aus Bruchstücken, von denen de Sarzec aber sehr
viele für wieder zusammensetzbar erklärt, sodann aus ohngefähr 5000 leioht
beschädigten und 5000 gut erhaltenen. Manche der Thontafeln sind in eine
Art Thonkapseln eingefügt und enthalten auf diesen eine Copie des Textes
der innen befindlichen Tafeln. Am meisten vertreten siud Opferverzeich-
nisse, Rechnungen und Inventare, und unter diesen besonders die Verzeich-
nisse der den Göttern geweihten oder den Königen gehörenden Viehheerden.
 
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