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Prähistorische Blätter — 7.1895

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Heft Nr. 5
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Lehmann-Nitsche, Robert: Die Körpergrösse der südbayerischen Reihengräberbevölkerung
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https://doi.org/10.11588/diglit.32434#0100
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74 Die Körpergrösse der südbayerischen Reihengräberbevölkerung.
ist der Procentsatz der Grossen und Uebergrossen stärker als bei den
Schwaben und Alemannen, 477o:30°/o, woher es auch kommt, dass die
Rajuvaren eine geringere Anzahl von Leuten mittlerer Körpergrösse
aufweisen.
Vereinigt man die Durchschnittszahlen für Bajuvaren und Schwaben
und Alemannen, so ergibt sich für die südbayerische Reihen-
gräberbevölkerung eine mittlere Körpergrösse von 1,683 bei den
Männern, von 1,554 bei den Frauen.
Sehr interessant ist es nun, diese Angaben mit den Zahlen über die
moderne Bevölkerung Bayerns zu vergleichen. Bedenken dagegen
erheben sich aus u. a. folgenden Gründen:
1) Die Manouvrier'schen Tabellen, welchen die ganze Berechnung zu
Grunde liegt, sind nach wenigen (24 cf, 25 (^)) Individuen einer modernen-
fremden (Lyoner) Bevölkerung aufgestellt worden; es bleibt fraglich, ob
die Eörperproportionen derselben ohne weiteres auf prähistorische deutsche
Volksstämme Anwendung finden können.
2) Die Berechnung der Körpergrösse der südbayerischen Reihen-
gi'äberbevölkerung geschah nach einer geringen Anzahl Knochen,
während die Zahlen über die moderne bayerische Bevölkerung aus
tausenden direct gemessener Individuen resultiren.
3) Von den prähistorischen Knochen haben sich hauptsächlich die der
stärksten und vorwiegend männlichen Individuen erhalten; die berechnete
Körpergrösse ist daher als mittlere für eine wenn auch männliche Be-
völkerung etwas zu gross.
Untereinander dagegen lassen sich die eben berechneten Zahlen für
Bajuvaren und Schwaben-Alemannen viel eher vergleichen, da die in Betracht
kommenden Fehler sich im Allgemeinen gegenseitig aufheben.
Doch gehen wir trotzdem zu den modernen Bayern über. Ranke hat
in einer Arbeit über die Körpergrösse der bayerischen Militärpflichtigen des
Jahres 1875 ausser dem Procentverhältniss zwischen Kleinen, Mittleren
und Grossen auch die in jedem Bezirksamt am häufigsten vorkommende
Körpergrösse angegeben. Beschränken wir uns bei unserem Vergleich nur
auf das Reihengräberfeld zu Allach, da dieses sicher eine einheitliche
Bevölkerung bietet, ausserdem die grösste Anzahl Knochen (34 von ca.
30 o** Individuen) aus Allach zur Messung kamen, so ist die Überein-
stimmung zwischen der für die Allacher Bajuvaren berechneten Körper-
grösse (1,686 m) mit der im Bezirksamte München Stadt (wozu Allach
gehört) am häufigsten vorkommenden (1,68 m) frappant, beweist also jeden-
falls, dass die Nachkommen der alten „Baiwarn" ihren Ahnen nicht an
Körpergrösse und Körperkraft nachstehen.
Bin Vergleich der prähistorischen Schwaben und Alemannen mit der
heutigen entsprechenden Bevölkerung der Bezirksämter zu Dillingen, Memm-
ingen und Sonthofen ist kaum angängig, da aus den betr. Reihengräber-
feldern zu wenig Knochenmaterial für Einzelzahlen vorlag.
Zieht man zum Schluss alle Gründe für und wider eine derartige
Körperberechnung in Betracht, so bleibt dies Resultat jedenfalls gesichert,
dass bei den Bajuvaren ein stärkeres Hinneigen zur
Grösse vorhanden ist, als bei den Schwaben und
Alemannen.
An alle Freunde der prähistorischen Forschung ergibt sich aber aus
dem Angeführten der dringende Wunsch: Bei Ausgrabungen nicht wie fast
immer bisher nur auf die Beigaben und deren Erhaltung zu sehen, sondern
auch auf die für die anthropologische Forschung unumgänglich nöthigen
Skeletreste, Schädel und s ä mm 11 i ch e übrigen Skelettheile, ein wachsames
Auge zu haben. Die prähistorische Anthropologie soll ja mit der prä-
 
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