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Ausgrabungen und Funde.
Ausgrabungen und Funde.
— In England erregt die bereits vor längerer Zeit erfolgte, aber erst
jetzt bekannt gewordene Auffindung eines anscheinend diluvialisehen
(paläolithischen) Menschenskeletes grosse Aufmerksamkeit.
Es wurde im Jahre 1888 von Mr. Robert Elliott, einen) eifrigen Sammler
vorgeschichtlicher Gegenstände, in den diluvialen Kieslagern von Galley
Hill bei Nortfteet (Kent), die 90 Fuss über der Themse das Kreidegebirge
überlagern, entdeckt und behufs näherer Beschreibung bis zum Jahre 1894
auf bewahrt. Da sich Elliott aber ausser Stande sah, die beabsichtigte Be-
schreibung auszuftihren, überwies er endlich im vorigen Jahre die Knochen
dem Paläontologen E. T. Newton, der sie genau untersucht und kürzlich in
der Londoner Geologischen Gesellschaft darüber berichtet hat. Von dem
Skelet sind erhalten: ein grosser Theil des Schädels, an dem aber die Ge-
sichtsknochen fehlen, die rechte Hälfte des Unterkiefers mit den Mahl-
zähnen, beide Oberschenkel, Theile beider Schienbeine, das Schlüsselbein,
von dem die beiden Enden fehlen, das Mittelstück eines Oberarmknochens,
Bruchstücke des Beckens und des Kreuzbeins und einige Theile von Rippen.
Das Vorhandensein des sogenannten Weisheitszahnes lässt erkennen, dass
das Skelet einem völlig erwachsenen, wenn auch anscheinend keinem aften
Menschen angehört hat. Das auffälligste Merkmal des Schädels ist die
ausserordentlich stark ausgesprochene Langköpügkeit (Dolichocephalie); bei
einer Länge von 203 mm ist der Schädel nur ungefähr (wegen der Unvoll-
ständigkeit nicht ganz genau festzustelfen) 130 mm breit, so dass ein
Breitenindex von nur 64 herauskommt. Bemerkenswerth sind ferner die
stark vorspringenden Augenbrauenbogen; die Stirn flieht mässig zurück und
der Kinnvorsprung ist nur schwach ausgebildet. Die aus der Länge des
Oborschenkels (der durch einen sehr grossen Kopf ausgezeichnet ist) be-
rechnte Körperhöhe ergibt sich zu nur 5 Fuss 1 Zoll (1,596 m). In manchen
diesen Eigentümlichkeiten stimmen Schädel und Skelet von Galley Hill mit
denen der neolithischen Menschen von Long Barrows überein. Die sicher
paläolithischen (diluvialen) Schädel aus der Höhle von Spy (Belgien) unter-
scheiden sich von dem Galley Hill-Schädel merklich durch den schweren
Unterkiefer und das zurückspringende Kinn, gleichen ihm aber durch den
Besitz der stark vorspringenden Augenbrauenbogen sowie eines votspringenden
Hinterhauptsbeines. Die Beinknoohen haben eine abweichende Gestalt.
Auch die Merkmale der wahrscheinlich diluvialen Menschenreste aus den
Höhlen von Gro-Magnon und Engis sind wesentlich andere, als die der
Galley Hill-Reste. Dolichocephal waren diese Rassen alle, aber keine in
in dem Masse wie die letztgenannte. Es erhebt sich nun die Frage: Waren
die von Elliot gefundenen Knochenreste wirklich gleichalterig mit der geo-
logischen Schicht: in der sie lagen? Letztere ist ohne Frage diluvialen
Alters; aber es kann sein, dass es sich nur um ein in diesen alten Ab-
lagerungen angelegtes Grab aus einer späteren Zeit handelt. Dieser Ansicht
wurde auch in der Diskussion über den Fund von Sir John Evans und
Prof Boyd Dawkins (der übrigens auch das paläolithische Alter der Reste
von Engis und Cro-Magnon bezweifelt) Ausdruck gegeben. Andererseits
aber versichern Elliott und ein Lehrer Heys auf das Bestimmteste, dass
die Schichten, in denen die Knochen lagen, völlig ungestört gewesen seien.
Die Richtigkeit dieser Angabe lässt sich leider nicht mehr feststelien, da
die Kieslager an der betreffenden Stelle mittlerweile abgetragen worden
sind. Dr. Garson hält den Menschen von Galley Hill für sehr nahe ver-
wandt mit der Rasse von Spy und anderen Diluvialrassen. Dieselbe Ansicht
äussert Professor Sollas, der es für sehr wahrscheinlich erklärte, dass
sich das Skelet in natürlicher Lage befand und nicht beerdigt war. In den
Ausgrabungen und Funde.
Ausgrabungen und Funde.
— In England erregt die bereits vor längerer Zeit erfolgte, aber erst
jetzt bekannt gewordene Auffindung eines anscheinend diluvialisehen
(paläolithischen) Menschenskeletes grosse Aufmerksamkeit.
Es wurde im Jahre 1888 von Mr. Robert Elliott, einen) eifrigen Sammler
vorgeschichtlicher Gegenstände, in den diluvialen Kieslagern von Galley
Hill bei Nortfteet (Kent), die 90 Fuss über der Themse das Kreidegebirge
überlagern, entdeckt und behufs näherer Beschreibung bis zum Jahre 1894
auf bewahrt. Da sich Elliott aber ausser Stande sah, die beabsichtigte Be-
schreibung auszuftihren, überwies er endlich im vorigen Jahre die Knochen
dem Paläontologen E. T. Newton, der sie genau untersucht und kürzlich in
der Londoner Geologischen Gesellschaft darüber berichtet hat. Von dem
Skelet sind erhalten: ein grosser Theil des Schädels, an dem aber die Ge-
sichtsknochen fehlen, die rechte Hälfte des Unterkiefers mit den Mahl-
zähnen, beide Oberschenkel, Theile beider Schienbeine, das Schlüsselbein,
von dem die beiden Enden fehlen, das Mittelstück eines Oberarmknochens,
Bruchstücke des Beckens und des Kreuzbeins und einige Theile von Rippen.
Das Vorhandensein des sogenannten Weisheitszahnes lässt erkennen, dass
das Skelet einem völlig erwachsenen, wenn auch anscheinend keinem aften
Menschen angehört hat. Das auffälligste Merkmal des Schädels ist die
ausserordentlich stark ausgesprochene Langköpügkeit (Dolichocephalie); bei
einer Länge von 203 mm ist der Schädel nur ungefähr (wegen der Unvoll-
ständigkeit nicht ganz genau festzustelfen) 130 mm breit, so dass ein
Breitenindex von nur 64 herauskommt. Bemerkenswerth sind ferner die
stark vorspringenden Augenbrauenbogen; die Stirn flieht mässig zurück und
der Kinnvorsprung ist nur schwach ausgebildet. Die aus der Länge des
Oborschenkels (der durch einen sehr grossen Kopf ausgezeichnet ist) be-
rechnte Körperhöhe ergibt sich zu nur 5 Fuss 1 Zoll (1,596 m). In manchen
diesen Eigentümlichkeiten stimmen Schädel und Skelet von Galley Hill mit
denen der neolithischen Menschen von Long Barrows überein. Die sicher
paläolithischen (diluvialen) Schädel aus der Höhle von Spy (Belgien) unter-
scheiden sich von dem Galley Hill-Schädel merklich durch den schweren
Unterkiefer und das zurückspringende Kinn, gleichen ihm aber durch den
Besitz der stark vorspringenden Augenbrauenbogen sowie eines votspringenden
Hinterhauptsbeines. Die Beinknoohen haben eine abweichende Gestalt.
Auch die Merkmale der wahrscheinlich diluvialen Menschenreste aus den
Höhlen von Gro-Magnon und Engis sind wesentlich andere, als die der
Galley Hill-Reste. Dolichocephal waren diese Rassen alle, aber keine in
in dem Masse wie die letztgenannte. Es erhebt sich nun die Frage: Waren
die von Elliot gefundenen Knochenreste wirklich gleichalterig mit der geo-
logischen Schicht: in der sie lagen? Letztere ist ohne Frage diluvialen
Alters; aber es kann sein, dass es sich nur um ein in diesen alten Ab-
lagerungen angelegtes Grab aus einer späteren Zeit handelt. Dieser Ansicht
wurde auch in der Diskussion über den Fund von Sir John Evans und
Prof Boyd Dawkins (der übrigens auch das paläolithische Alter der Reste
von Engis und Cro-Magnon bezweifelt) Ausdruck gegeben. Andererseits
aber versichern Elliott und ein Lehrer Heys auf das Bestimmteste, dass
die Schichten, in denen die Knochen lagen, völlig ungestört gewesen seien.
Die Richtigkeit dieser Angabe lässt sich leider nicht mehr feststelien, da
die Kieslager an der betreffenden Stelle mittlerweile abgetragen worden
sind. Dr. Garson hält den Menschen von Galley Hill für sehr nahe ver-
wandt mit der Rasse von Spy und anderen Diluvialrassen. Dieselbe Ansicht
äussert Professor Sollas, der es für sehr wahrscheinlich erklärte, dass
sich das Skelet in natürlicher Lage befand und nicht beerdigt war. In den