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Repertorium für Kunstwissenschaft — 1.1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.61801#0356

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Notizen.

(Römische Meilensteine als Säulen.) Wenn man die an land-
schaftlicher Schönheit so reiche Strasse von Bordighera nach Mentone geht,
so muss man auch das kleine italienische Grenzstädtchen Ventimiglia berühren.
An einen Berghang lehnen sich die Häuser und die im Verhältniss zahl-
reichen Kirchen , während ein Fort die Spitze des Hügels krönt. Nicht weit
von diesen Befestigungswerken, auch über der Stadt, erhebt sich eine Kirche,
die der Zeit des romanischen Stiles angehört. Sie steht auf einem freien
Platze, das Porlal nach Osten zugewendet. Leider verdecken jetzt einige vor-
gebaute Häuser den Blick auf das Meer.
Der einfache Ziegelbau mit geringen Ornamenten am Gesimse und ge-
rader Decke lohnt eben nicht die eingehende Aufmerksamkeit; desto interes-
santer ist die von 4 Säulen gestützte Krypta, zu welcher man auf 4 Stufen
herabsteigt. Welcher Zeit oder welchem Baustile die Säulen angehören, schien
unmöglich zu bestimmen. Ungefähr 2 M. hoch, verjüngen sie sich ziemlich
stark nach oben, aber sowohl Basis als auch Capital fehlen. Glücklicherweise
kam uns ein Kirchendiener zu Hilfe, der mit einer brennenden Kerze zu uns
herabstieg und uns in der so schwer verständlichen Landessprache, diesem
Gemisch von Italienisch und Französisch, aufforderte, die erste Säule zur rech-
ten Hand genauer zu betrachten. Da er uns leuchtete, so konnten wir latei-
nische Buchstaben an ihr erkennen und ohne grosse Mühe den Namen An-
toninus Pius lesen. So war das Räthsel gelöst. Man hatte einen jedenfalls
an Ort und Stelle (Ventimiglia ist das Römische Albium Intemelium) gefun-
denen römischen Meilenstein als Säule bei dem Baue verwendet und die drei
anderen Säulen dann diesem Vorbilde genau nachgebildet. Weiter
machte uns der Führer noch auf das Weihwasserbecken, welches am Eingang
der Kirche stand, aufmerksam. Auch zu diesem Zwecke hatte man einen
römischen Meilenstein verwendet, man hatte den oberen Theil desselben ab-
geschlagen und den Stein ausgehöhlt. Leider war die Inschrift nicht mehr
zu entziffern. Wie uns unser Führer noch ferner versicherte, so soll an der
Stelle der Kirche ein dem Gastor und Pollux geheiligter Tempel gestanden
haben. Diese Nachricht ist nicht unwahrscheinlich, da das Heiligthum gewiss
vom Meere aus zu erblicken war und die Bewohner Liguriens noch heutigen
Tages wegen ihrer Tüchtigkeit als Seefahrer berühmt sind. In welchem Ver-
hältniss aber Gastor und Pollux zu der Schifffahrt standen, ist ja allgemein
bekannt. ' H. Eckstein.
 
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