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Repertorium für Kunstwissenschaft — 1.1875

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Janitschek, Hubert: Zur Charakteristik der palermitanischen Malerei der Renaissance-Zeit, 1, Antonio Crescenzo und seine Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.61801#0375

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der palermitanischen Malerei der Renaissancezeit.

361

Niedrigkeit, Seligkeit oder Elend zu beachten. In entgegengesetzter Be-
wegung braust durch die Lüfte eine grauenhafte Frauengestalt, zwei
Hunde an einer Leine zügelnd; ich wage dieselbe nicht zu deuten. Im
Vordergründe ist das grosse Feld des Todes. Geistliche Würdenträger,
gekrönte Gewalthaber, Fürsten, Gelehrte, Volk — sie alle sind Beute
des Unerbittlichen. Die da rechts, von Alter gebeugt, oder verachtend
die trüglichen Güter der Erde, scheinen ihn zu begrüssen, wie einen
Erlöser, einen ersehnten Freund. Aber in diese Gruppen links, bunt
gemischt aus prächtig gekleideten Frauen und weltlich-stolzen Männern
— alle befangen in irdisches Thun und irdische Freude — greift er
hinein als unerwünschtes, ferngeglaubtes Schicksal. Der Fuss dieser
schönen Mädchen und Frauen möchte noch den Tönen jenes Lauten-
spielers folgen, aber die Todesblässe legt sich schon auf die Wangen.
Auf derselben Seite im Hintergrund sieht man einen Brunnen (gothische
Architektur) umgeben von einer heiteren, tändelnden Gruppe von Mäd-
chen und Jünglingen; einige bespiegeln sich in der Wasserfläche des
Brunnens; ich möchte dies deuten als Symbolisirung des Traumhaften,
Schattenartigen alles irdischen Daseins.
Unter der mittleren Gruppe der vom Todespfeil Getroffenen findet
sich auch ein Mann im Talar der Rechtsgelehrten, er hält eine geöff-
nete Rolle, darin man in grossen gothischen Schriftcharakteren ge-
schrieben findet: »Bartulus de Haixferratu lux juris civilis«.*) Ziemlich auf
demselben Plane, in dem sich rechts die Brunnengruppe befindet, stehen
links zwei Männergestalten, der Eine mit dem Pinsel, der Andere mit
der Palette in der Hand, die auf den Maler des Werkes und seinen
Schüler gedeutet werden. Den Hintergrund bildet dichte Waldlandschaft,
von Schmetterlingen und Vögeln reich belebt; links dringt durch eine
kleine Lichtung der Himmel ein.
*) Bartulus de Haixferratu, d. h. Bartolo von Sassoferrato in Umbrien, einer
der berühmtesten Rechtsgelehrten seiner Zeit. Geboren 1313 starb er 1355 oder
1357. Einige Zeit hindurch lehrte er zu Pisa. In der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts, nach Erfindung der Buchdruckerkunst, erlebte er eine neue Epoche des
Glanzes. Seine Schriften über das Corpus juris civilis wurden wiederholt edirt und
besonders von Alessandro da Imola commentirt und mit neuen Annotationem ver-
sehen. Aus dieser Popularität erklärt es sich, wie er hier gleichsam als hervor-
ragendster Repräsentant des stolzen, nichtsdestoweniger der Macht des Todes unter-
worfenen Gelehrtenthums auftritt. — Der Curiosität wegen citire ich ein Werkchen
des Bartolo, worin er seine Rechtsgelehrsamkeit auf eine überirdische Streitfrage
anwendet: Libellus procuratoris in quo diabolus producit litem: coram judice omni-
potente Deo contra genus humanum pro quo beata virgo Maria tamquam procuratrix
et advocata comparens, tandem pugnam obtinuit: et inimici versuciam confudit. —
Die Sizilianisirung des Lateins in dem Jaixferratu statt Sassoferrato mag auf Rech-
nung des einheimischen Mitarbeiters gestellt werden.
 
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