Die Mailänder Nigroli und der Augsburger Desiderius Colman etc. 187
Industrie zu schaffen. Karl VIII. berief um 1484 eine Anzahl hervorragender
Waffenschmiede nach Frankreich und richtete ihnen eine Werkstätte in Bor-
deaux ein. Diese Emigranten vereinigten sich zu einer festen Genossenschaft,
eine Massregel zum eigenen Schutze, die allerdings den Absichten des Königs
abträglich war. Wir kennen von dieser Genossenschaft der Mailänder Waffen-
schmiede zu Bordeaux noch einige ihrer bedeutendsten Mitglieder, wie Ambrogio
Caron, »demourant en sa seigneurie d’Arbi en Benauges«, wie es an einer
Stelle in einem Archivstücke heisst. Er verkauft 1490 an Chartrois (wahr-
scheinlich an Herzog Ludwig von Chartres, den nachmaligen König Ludwig XII.)
einen ungarischen (geschobenen) Harnisch und andere Harnischstücke2). Ferner
Pierre Sonnay, ein Savoyarde, Etienne Daussonne und die Brüder Carlo und
Claudio Bellon, letztere sämmtlich gebürtige Mailänder3).
Mit der Entwicklung der industriellen Kunst in der Renaissance begann
gegen die Wende des 15. Jahrhunderts in Mailand ein Theil der fähigsten
Waffenschmiede ein eigenes Specialfach zu betreiben, welches sich zur Auf-
gabe machte, in ihren Erzeugnissen der Prachtliebe der Grossen entgegen-
zukommen. Der Harnisch wurde zum Staatskleide, das alte gute Reitschwert,
die sichere Hauswehre zum reichverzierten Hofdegen. Man wollte elegant am
Hofe erscheinen im reichen Kleide aus Sammt und Seide. Niemand aber
fühlte sich, zumal in Italien, sicher genug, um seine Brust vor einem Dolch-
stiche unbewehrt zu lassen. Das war das Arbeitsgebiet, welches eine besondere
Classe von Waffenschmieden nun mit allem Eifer und eminentem Geschick zu
betreiben begann und welches diese mit Hilfe der festorganisirten Handels-
thätigkeit auch weidlich ausnützte. Bei einiger Beobachtung der Arbeiten
dieser Gattung wird Niemand die Verwandtschaft derselben mit einer gewissen
Art der Grosserie verkennen, wie sie gerade in Florenz, später auch in Rom
geübt wurde und sich bald über ganz Norditalien und Frankreich verbreitete,
und gewiss sind auf dem neuen Gebiete zunächst die Florentiner Goldschmiede
nicht ohne werkthätigen Einfluss geblieben, wenn wir denselben für jetzt auch
nur in den Spuren nachzuweisen im Stande sind4). In Beziehung auf die
2) L’armurerie milan ä Bordeaux. Rev. d’Aquit., t. XII. — Arch. de la Gi-
ronde. — Glossaire archeolog. p. 72.
3) 1490. — »Sachent tous . . . que cum le temps passe de 6 ans ou environ
Estienne Daussonne, Ambroye de Garon, Karoles et Glaudin Bellon natifs du pays
de Mylan en Lombardie et Pierre de Sonnay natif de la duche de Savoye les quels
ce fussent associes, acompaignes et adjustez entre eulx l’un avecques l’autre, de faire
leur residence personelle et continuelle ä ouvrer et trafiquer du mestier de armurerie
et ce pour l’espace de 20 ans ou environ etc.« — Gaullieur, l’armurerie milan ä
Bordeaux. Rev. d’Aquit.
4) Für die Thätigkeit der Treibarbeiter und Azzimisten in Florenz ist das
Manuscript des Waffenschmiedes Antonio Petrini 1642 (Bibi. Magliab.), das zuerst
Eugene Pion in seinem Werke über Gellini veröffentlichte, eine wenn auch lücken-
hafte, doch an sich hochwerthvolle Quelle. Unsere Beobachtungen über die An-
gaben dieses äusserst schätzbaren Manuscriptes beabsichtigen wir in einer späteren
Abhandlung darzulegen.
Industrie zu schaffen. Karl VIII. berief um 1484 eine Anzahl hervorragender
Waffenschmiede nach Frankreich und richtete ihnen eine Werkstätte in Bor-
deaux ein. Diese Emigranten vereinigten sich zu einer festen Genossenschaft,
eine Massregel zum eigenen Schutze, die allerdings den Absichten des Königs
abträglich war. Wir kennen von dieser Genossenschaft der Mailänder Waffen-
schmiede zu Bordeaux noch einige ihrer bedeutendsten Mitglieder, wie Ambrogio
Caron, »demourant en sa seigneurie d’Arbi en Benauges«, wie es an einer
Stelle in einem Archivstücke heisst. Er verkauft 1490 an Chartrois (wahr-
scheinlich an Herzog Ludwig von Chartres, den nachmaligen König Ludwig XII.)
einen ungarischen (geschobenen) Harnisch und andere Harnischstücke2). Ferner
Pierre Sonnay, ein Savoyarde, Etienne Daussonne und die Brüder Carlo und
Claudio Bellon, letztere sämmtlich gebürtige Mailänder3).
Mit der Entwicklung der industriellen Kunst in der Renaissance begann
gegen die Wende des 15. Jahrhunderts in Mailand ein Theil der fähigsten
Waffenschmiede ein eigenes Specialfach zu betreiben, welches sich zur Auf-
gabe machte, in ihren Erzeugnissen der Prachtliebe der Grossen entgegen-
zukommen. Der Harnisch wurde zum Staatskleide, das alte gute Reitschwert,
die sichere Hauswehre zum reichverzierten Hofdegen. Man wollte elegant am
Hofe erscheinen im reichen Kleide aus Sammt und Seide. Niemand aber
fühlte sich, zumal in Italien, sicher genug, um seine Brust vor einem Dolch-
stiche unbewehrt zu lassen. Das war das Arbeitsgebiet, welches eine besondere
Classe von Waffenschmieden nun mit allem Eifer und eminentem Geschick zu
betreiben begann und welches diese mit Hilfe der festorganisirten Handels-
thätigkeit auch weidlich ausnützte. Bei einiger Beobachtung der Arbeiten
dieser Gattung wird Niemand die Verwandtschaft derselben mit einer gewissen
Art der Grosserie verkennen, wie sie gerade in Florenz, später auch in Rom
geübt wurde und sich bald über ganz Norditalien und Frankreich verbreitete,
und gewiss sind auf dem neuen Gebiete zunächst die Florentiner Goldschmiede
nicht ohne werkthätigen Einfluss geblieben, wenn wir denselben für jetzt auch
nur in den Spuren nachzuweisen im Stande sind4). In Beziehung auf die
2) L’armurerie milan ä Bordeaux. Rev. d’Aquit., t. XII. — Arch. de la Gi-
ronde. — Glossaire archeolog. p. 72.
3) 1490. — »Sachent tous . . . que cum le temps passe de 6 ans ou environ
Estienne Daussonne, Ambroye de Garon, Karoles et Glaudin Bellon natifs du pays
de Mylan en Lombardie et Pierre de Sonnay natif de la duche de Savoye les quels
ce fussent associes, acompaignes et adjustez entre eulx l’un avecques l’autre, de faire
leur residence personelle et continuelle ä ouvrer et trafiquer du mestier de armurerie
et ce pour l’espace de 20 ans ou environ etc.« — Gaullieur, l’armurerie milan ä
Bordeaux. Rev. d’Aquit.
4) Für die Thätigkeit der Treibarbeiter und Azzimisten in Florenz ist das
Manuscript des Waffenschmiedes Antonio Petrini 1642 (Bibi. Magliab.), das zuerst
Eugene Pion in seinem Werke über Gellini veröffentlichte, eine wenn auch lücken-
hafte, doch an sich hochwerthvolle Quelle. Unsere Beobachtungen über die An-
gaben dieses äusserst schätzbaren Manuscriptes beabsichtigen wir in einer späteren
Abhandlung darzulegen.