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Repertorium für Kunstwissenschaft — 8.1885

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Diekamp, Wilhelm: Ein Evangeliar des Klosters Freckenhorst aus dem XII. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.66022#0376

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326

Wilhelm Diekamp:

Dignato nostre naturam carnis habere.
Omnipotentis apex in nostro corpore supplex
Nolens dampna pati, que pertulerant protoplasti,
V enisti sponte summi genitoris ab arce,
Mortis ut imperio finem faceres moriendo,
Lux eterna dei, nostro medicare labori.
Et licet indigeas nullo divina potestas,
Texturam placidus tarnen accipe codicis huius,
Ancille donum, que peccavit tibi multum.
Me strictam viciis, que pritni noxa parentis
Effudit late semen hominum super omne,
Solvat criminibus de cunctis iste libellus;
Sit custos hilari, sit consolatio tristi.
J usseris et quando me solvi corporis antro, 9
Eruat hec animam, Jesu, scriptura misellam
De cruciante chao, de non miserante tiranno.
Exin tempus ubi venit omnia discutiendi,
Dum trepidabo nimis totius conscia sordis,
J udex juste deus, patris invictissima virtus,
Gui tremula assisto, mihi iam placabilis esto.
Alma dei pietas euangeliique potestas
Te mihi mansuetum faciant, rex optime regum.
Et tu, qui Christo placuisti sanguine fuso,
Martir sancte dei nec non presul Bonifati,
Munus habe gratum, fert ultima quod famularum
Ante tuum limen. Dicat qui legerit: Amen.
Dass eine Klosterangehörige sich hier in so liebenswürdiger Weise als
Schreiberin kundgibt, ist um so interessanter, als gleichzeitig im Stifte auch
die anderen Künste blühten. Eine andere'Insassin war es, Gerbode, die den
Grabstein der damaligen Aebtissin Geva mit der ganzen liegenden Figur der-
selben meisselte und so Veranlassung gab, dass Geva später in die Gründungs-
legende verwoben wurde4) und bis auf den heutigen Tag ob ihres Antheils
an der Stiftung hochgepriesen wird. Eine Künstlerin aber war Emma, selbst
wenn ihr nur die überaus zierliche und gefällige Schrift des Evangeliars an-
gehören sollte, nicht auch die wenn auch nur spärlichen Miniaturen.
Die auf das Gedicht folgenden drei Seiten waren ursprünglich leer ge-
lassen, möglich dass sie für ein Bild des Evangelisten bestimmt waren. Sie
sind ausgefüllt mit Sprüchen im Anschluss an den Stammbaum des Heilandes
und zwar von einer Hand mit älterem Ductus als dem der Emma, also jeden-
falls nicht lange nach der Fertigstellung des Buches.
Das folgende Blatt ist dem Titel gewidmet: »Liber generationis« u. s. w.,
die erste Seite wird von »Liber« ausgefüllt. Sie wird von einem roth-gold-
roth-weissen Rahmen eingeschlossen, innerhalb dessen der Raum in etwas

4) S. a. 0. S. 637 f.; auch die Grabschrift (S. 638, A. 2) hat leoninische
Hexameter.
 
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