Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Repertorium für Kunstwissenschaft — 8.1885

DOI issue:
Diekamp, Wilhelm: Ein Evangeliar des Klosters Freckenhorst aus dem XII. Jahrhundert
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.66022#0377

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ein Evangeliar des Klosters Freckenhorst aus dem XII. Jahrhundert. 327
roher Weise in breite hell- und dunkellila Felder getheilt ist. Von diesem
Hintergründe hebt sich das L ab in goldenem Geriemsel und Blattformen, die
von rothen Strichen eingefasst sind. Aehnlich ist der Anfang des Johannes-
Evangeliums auf dem ersten Blatte des 15. Quaternio behandelt. Ein gleicher
Rahmen schliesst die Seite ein; die Felder sind abwechselnd hell- und dunkel-
lila; aber sie sind kleiner und machen dadurch einen viel gefälligeren Ein-
druck. Das verschlungene IN (In principio erat. . .) füllt die Seite aus. Die
Schäfte bestehen aus je zwei breiteren goldenen Streifen, die nach beiden
Seiten durch rothe und weisse Striche begrenzt sind; der Raum zwischen ihnen
ist grün und roth ausgefüllt mit aufgesetzten weissen Punkten. Geriemsel und
Blattwerk sind wie beim L behandelt, nur ungezwungener. Die Rückseite gibt
die folgenden Worte »principio« bis »hoc erat« in blau und rothen Majuskeln. —
Es ist vielleicht nicht ohne Bedeutung, dass die beiden Blätter mit diesen
grossen Initialen ihren Quaternionen beigeheftet sind. Die zweite Initiale mit
der Rückseite wiederholt sogar nur die auf der vorhergehenden Seite in braun
und rothen Majuskeln ausgeführten Anfangsworte. Ihre Majuskeln weise ich
aber mit Bestimmtheit einem anderen Schreiber zu; sie sind viel plumper und
geschmackloser als die der andern Seite, die, soweit sich darüber urtheilen
lässt, von der Schreiberin Emma herrühren. Wir dürfen daraus vielleicht
schliessen, dass die beiden grossen Initialen nicht von Emma’s Hand sind.
Einfacher ist das Initium beim Evangelium des hl. Marcus gehalten.
Als I repräsentirt sich ein langer durch zwei rothe Striche gebildeter Stab,
der oben und unten in einiger Verschlingung ausläuft; nach dem Blattrande
hin lehnen sich andere rankenartig an, und aus ihnen erhebt sich das Brust-
bild, wie wohl anzunehmen ist, des Evangelisten. Es ist mehr angedeutet als
durchgeführt, alles mit wenigen rothen und braunen Strichen, während das
Pergament als weiss benutzt ist. In der Linken hält er die Schriftrolle, die
Rechte streckt er lehrend aus, wobei der zweite und dritte Finger die gewöhn-
liche unnatürliche Verlängerung zeigen. — Ferneren Anlass zu ornamentaler
Behandlung bot Q (Quoniam quidem multi conati sunt), der Anfangsbuchstabe
des Evangeliums des hl. Lucas. Es ist bei weitem das ansprechendste Bild,
wenn es auch nicht so reich gehalten ist als jene beiden ersteren, namentlich
kein Gold angewandt ist. Zwei gefällig verschlungene gelbe Streifen bilden
einen Kreisring, an den oben und unten je zwei gleichförmige blaue und grüne
Ranken mit Blattwerk sich anlehnen; die Mitte füllt Geriemsel in gleichfalls
blaugrüner Farbe aus, während die noch übrig gebliebene weisse Fläche durch
rothe Pünktchen in symmetrischen Figuren besetzt ist. Die Cauda. des Q
endlich bildet ein phantastisches Ungethüm, vorne ein geflügelter Drache
mit langem Hals und Adlerkopf und rückwärts auslaufend in einen Fisch.
Deuten schon diese Initialen und ebenso auch manche andere Buchstaben-
formen der in Roth ausgeführten Anfänge auf, wenn auch abgeschwächte,
Einwirkung ursprünglich irischer Vorlagen, so gilt ein Gleiches auch von den
beiden einzigen Vollbildern unserer Handschrift (im 8. und 14. Quaternio),
die den hl. Lucas und den hl. Johannes bei der Arbeit darstellen. Beide
sitzen in hergebrachter Form, nach rechts gewendet, auf einem Schemel ohne
 
Annotationen