Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Repertorium für Kunstwissenschaft — 20.1897

DOI article:
Wölfflin, Heinrich; Burckhardt, Jacob [Honoree]: Jakob Burckhardt: geb. in Basel 25. Mai 1818, gest. daselbst 8. August 1897
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68267#0354

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
342

Heinrich Wölfflin:

geschieht©“ und der „Geschichte der Malerei“ (beide 1847) und kam
so früh an universelle Aufgaben heran. Und diese sind ihm Bedürfniss
geworden. Es war ihm später unmöglich, sich anders als im Grossen aus-
zusprechen. Es giebt wohl einige kleine Abhandlungen, sie sind alle früh;
der reife Mann hat nie etwas in eine Zeitschrift geschrieben, nie auf Re-
zensionen sich eingelassen, keine Monographien gemacht, sondern die
Themata stets so umfassend als möglich genommen. Er nannte es auch
ein Glück, dass er als Professor die Verpflichtung gehabt habe, über die
ganze Historie zu lesen: bald werde niemand mehr im Stande sein, „Ueber-
sichten zu geben und Proportionen einzuhalten“.
Den ersten Versuch grosser Geschichtsschreibung gab er in der „Zeit
Constantin’s“ (1853). Sein Ziel dabei war, nicht sowohl eine vollständige
geschichtliche Erzählung zu geben als vielmehr eine culturhistorische Ge-
sammtschilderung jener Epoche, in der die alte Welt sich auflöste. Es
sind nach B.’s eignem Geständniss vorzüglich französische Historiker ge-
wesen, die ihm zeigten, wie man einen solchen Stoff componiren und den
Dingen ihre interessante Seite abgewinnen könne, wie man mit typischen
Anekdoten charakterisire und culturhistorische Entwickelungen skizzire.
Fragte man aber, wie er das Material zusammen bekommen habe, so sagte
er: ich habe einfach benutzt, was die Andern vor mir bei Seite liessen.
So sind die B.’schen Bücher alle: sie scheinen ganz mühelos entstanden
zu sein. Ueber die Persönlichkeit Constantin’s hat man seither hin und
her debattirt, aber das Bild der alternden heidnischen Welt, wie es B.
zeichnet, ist in seinen wesentlichen Zügen nicht alterirt worden. Und als
das Buch nach 35 Jahren neu aufgelegt wurde, hatte es noch nichts von
seiner Frische eingebüsst.
Als junger Mann schon war B. in Basel Extraordinarius geworden
und die Stelle eines Geschichtslehrers an einer Mittelschule gewährte ihm
hinreichenden Unterhalt. Auf eine Carriere in Berlin, in die ihn Kugler
hineinschieben wollte, hatte er verzichtet; er fühlte sich wohl in be-
scheidenen Verhältnissen, so bald er nur in Basel leben durfte und Musse
genug zu wissenschaftlicher Forschung behielt. Da verlor er die Lehrer-
stelle und dieses widrige Ereigniss war, wie er die Sache darstellte, der
Anlass, sich auf Reisen zu begeben und vor der Hand ganz der litterarischen
Arbeit zu leben. Er ging wieder nach Italien, das er schon einmal der
Kugler’schen Bücher wegen bereist hatte, blieb 14—15 Monate und 1855
war der Cicerone fertig. Mit den frischen Druckbogen stellte er sich in
Zürich vor, wo ihm daraufhin die Professur der Kunstgeschichte an dem
neu gegründeten eidgenössischen Polytechnikum nicht vorenthalten wurde.
Semper war damals sein College. Mit Gottfr. Keller kam er zusammen.
Eine Reihe bedeutender Leute gaben der jungen Anstalt Glanz. B. hat
aber den Aufenthalt als Exil empfunden und die erste Gelegenheit freudig
ergriffen, als man von Basel aus ihm die Hand wieder bot. 1858 kehrte
er als Ordinarius für Geschichte in die Vaterstadt zurück, mit dem Ent-
schluss, nun nie mehr fortzugehen. Seine regelmässigen Ferienreisen ab-
 
Annotationen