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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Editor]
Schriftlicher Nachlaß (Band 2): Die Anfänge der theoretischen Studien ; das Lehrbuch der Malerei: von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude ; von der Perspektive ; von Farben ; ein Unterricht alle Maß zu ändern — Berlin, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.29732#0132

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II. DAS LEHRBUCH DER MALEREI

menschlicher statur durch messung zw begreuffen
begern.

Da mit man durch manigerlay ekh vnd linien mist
50 dy hoch der gepirg, dy prayten der velder, welder,
wasser vnd der landschafften, auch heuser, ge-
welb, seulen, spiczen, cirkel, tieff der prunen, der
teler, der grueb18, der gleychen auch dy maß der
schatten der tunkl, des glancz des hellen liechtz. Vnd
55 solichs nit alain durch schlecht gerad linien, sunder-
lich durch korperlich schlecht gesicht linien19, durch
wider kert20 gesicht linien, als von wassern, von
spiegeln oder andern poliertn dingen, so das ge-
sehen ding auf ainer seyten ein felt vnd auff der

49. duich bis linien über der Zeile, vor ekh gestrichen weul (?).

50. der — der] beide Male über der Zeile. 56. schlecht
über der Zeile. 58 ff. so bis erscheint über der Zeile.

ander erscheint, durch geprochen gesicht linien, als 60
so ain ding durch vngeleych mittel gesehen wirdet,
als durch luft vnd wasser, durch luft vnd glass [i7b]
oder ander durchsichtig vngeleych materien, do es
dan in dem anrueren der selben ma[terie] gepro-
chen gesehen wirt. Auch ist das das grost, das der 65
maler der kunst nit gepraucht durch dy schlechten
gemainen mass, sunder alle gesehne ding in ainem
kegel zw dem auch21 zwe zewcht, weliches spiczen
in dem auch ist, vnd basis oder grund das gesehen
ding, weliche maß, als dy hocherfaren der geome- 70
trey vnd perspectiff wissen, nit an sunder mue zw
wegen pracht wirdet.

61. gesehen] davor an gestrichen. 63. vngeleych] über der
Zeile. 63 ff. do bis wirt über der Zeile. 64. ma Hs.

70 f. geometrey] danach wissen gestrichen. 71. nit] danach
su gestrichen.

ANMERKUNGEN

1 |i£Tpov apioTov. Eine Sentenz, die dem Kleobulos
von Lindos zugeschrieben wurde. Vgl. B. Snell, Leben
und Meinungen der Sieben Weisen (München 1938),
S. 11, 97, 149. K. Celtis hatte 1500 kleine Gedichte des
Ausonius veröffentlidit, welche Aussprüche der Sieben
Weisen und den Ludus septem sapientum zum Gegen-
stand haben.

2 Vgl. Die Weisheit Salomonis 11, 21.

3 erheischen.

4 Das „Scheinsehen“, der Sehtrug. Plato kritisiert in der
Republik und im Sophisten das Scheinsehen (cpavTa-
cttikti) der bildenden Kunst gegenüber der genauen Auf-
nahme (eiKacjTiKri) aus Maß, Zahl und Gewicht. Noch
im 17. Jh. erschienen Perspektivlehren unter dem Plato-
nischen Titel „der Sehtrug“, z. B. Pinganno degli occhi,
Prospettiva prattica di Pietro Accolti (Florenz 1625).
Vgl. K. Borinski, Die Antike in Poetik und Kunsttheo-
rie I, S. 172 f.

5 Katoptrik, die Spiegellehre, die Lehre von den zurück-
geworfenen Lichtstrahlen.

6 Das Erdmessen.

7 Die Beschreibung von Ländern und Gegenden.

8 Offenbar Zitat.

9 Gemälden.

10 gerade.

11 Denn.

12 Mhd. vadenrihte stf.; Richtschnur; die geraden Li-
nien und Kreislinien.

13 die davon eingeschlossen sind.

14 regularia corpora: Tetraeder, Oktaeder, Eikosaeder,
Hexaeder oder Würfel, Dodekaeder. Den Pythagoräern
waren nur drei regelmäßige Polyeder bekannt. Theaitet
bestimmte ihre Zahl auf fünf. Diese Entdeckung über-
nahm Platon für seine Darlegungen im Staat VII 10 und
im Timäus 20 f. Vgl. Eva Sachs, Die fünf platonischen
Körper (Berlin 1917; Philosophische Untersuchungen
24); J. Stenzel, Zahl und Gestalt bei Platon und Aristo-
teles3 (Stuttgart 1958).

15 Über Kegel und Zylinder handelt Euklid im 12. Buch,
Satz 10-15.

16 Nach Lange-Fuhse, S. 286 A 4, ist der Sinn des Sat-
zes: „die Geometrie hat es nidit mit dem Zeidhnen oder
Malen der Gegenstände, sondern mit der Berechnung
ihres Inhaltes zu tun“.

17 Spiegellehre.

18 Gruben.

19 Die geraden Linien vom Auge zum beobachteten Ge-
genstande: gesichtlini, linea visuale, visiva. Vgl. Grimm
Wb IV/1,2 (1897), Sp. 4103.

20 reflektierte.

21 Auge.

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