ALLGEMEINES
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Einen größeren Umfang nahm freilich die Nekropole von Miam erst seit dem Anfang
der 18. Dynastie an, als nach der Eroberung Obernubiens die gesamten „südlichen Länder“
dem ägyptischen Reiche als Provinz angegliedert, und Miam Sitz der Verwaltung des neuen
Vizekönigtums von Kusch geworden war. Damals wurde die alte, verhältnismäßig kleine
Festung zu einer größeren befestigten Stadt ausgebaut, in der im Notfälle die Bevölkerung
der weiteren Umgegend Schutz vor feindlichen Überfällen finden konnte. Auch an anderen
Stellen des Landes wurden die Festungen wieder in Stand gesetzt und mit Truppen belegt,
nach Wiedereröffnung der Goldbergwerke in der östlichen Wüste kamen neue Kolonisten
ins Land, und so wurde im Verlauf weniger Jahrzehnte Nubien von der ägyptischen Kultur
erfaßt. Gewiß blieb es in den Augen der Ägypter nach wie vor „das elende Kusch“, aber es
verlor doch mehr und mehr seine Schrecken als Ausland, in dem kein Ägypter bestattet
sein wolltef1). Allerdings sind es gewiß nicht die Allervornehmsten und die höchsten in der
Provinzialverwaltung angestellten Beamten, deren Bestattungen in der S-Nekropole liegen;
sie werden wie vor Jahrhunderten Sorge getragen haben, daß man ihre Leichen in die
Heimat überführte. So ist von den Vizekönigen, die vermutlich ihren Amtssitz in Aniba
hatten, und von denen wohl der eine oder der andere dort auch gestorben sein mag, kein
Grab in der Nekropole gefunden worden; sie wurden in Theben, einige davon in dem Hügel
von Qurnet Mura'i bestattet(2). Selbst der „stellvertretende Königssohn“ cAnu, der ver-
mutlich in der Mitte der 18. Dynastie seines Amtes gewaltet hat, hatte sein Grab in Theben
und in Miam nur ein wahrscheinlich pyramidenförmiges Scheingrab (S 65), das sein An-
denken festhalten sollte.
Mit dem Anfang der 18. Dynastie fand die einheimische nubische Kultur ihr Ende;
in der Hyksoszeit war sie noch einmal aufgeblüht, und es waren sogar in nächster Nähe des
ägyptischen Friedhofs nubische Begräbnisstätten (die Friedhöfe C und B) entstanden.
Jetzt wurde sie in kurzer Zeit vernichtet. Die „Großen“ und gewiß auch die Kleinen von
Unternubien nahmen ägyptische Sitten an, und wie sie sich im Leben nach ägyptischer
Mode kleideten, so ließen sie sich auch nach dem Tode auf ägyptische Weise bestatten.
Nicht wenige von ihnen werden ihr nubisches Volkstum auch darin verleugnet haben, daß
sie statt der Namen in ihrer Volkssprache sich ägyptische Namen beilegten. So trägt z. B.
der zur Zeit Tutanchamuns lebende
reinen Negertypus hat und noch nach Negerart „afrikanisch“ gekleidet ist, den im NR
nicht seltenen, gut ägyptischen Namen Hkz-nfv „der Fürst ist gut“(3). Wir dürfen ohne
weiteres annehmen, daß unter der Menge der im S-Friedhofe von Aniba und in den NR-
Friedhöfen von Buhen Bestatteten, auch unter denen, die ägyptische Namen tragen und
ägyptische Beamtentitel führen, sich mancher ägyptisierte Nubier befindet, der kein Be-
denken getragen hat, an der Seite der Landfremden seine ewige Ruhestatt zu haben.
In der 18. Dynastie muß die Gräberstadt des S-Friedhof mit ihren Ziegelkapellen einen
überaus stattlichen Eindruck gemacht haben, besonders nachdem auch in dem Abschnitt
(9 Kees, Kulturgeschichte S 347.
(2) In Qurnat Mura'i liegt das Grab des Huj (No. 40, Zeit des Tutanchamun); ebenda war wahrscheinlich
auch der „Königssohn“ Mrms (Amenophis III.) bestattet; vgl. Gauthier, Recueil 39 (1921), 194!.; Varille,
Annales 33 (1933), 83 t.
(3) Davies-Gardiner, Tomb of Huy S. 23, Taf. 27; Ranke, NWb 256, 10. Vgl. S. 250 Nr. 98.
„Häuptling von Miam“, der übrigens
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Einen größeren Umfang nahm freilich die Nekropole von Miam erst seit dem Anfang
der 18. Dynastie an, als nach der Eroberung Obernubiens die gesamten „südlichen Länder“
dem ägyptischen Reiche als Provinz angegliedert, und Miam Sitz der Verwaltung des neuen
Vizekönigtums von Kusch geworden war. Damals wurde die alte, verhältnismäßig kleine
Festung zu einer größeren befestigten Stadt ausgebaut, in der im Notfälle die Bevölkerung
der weiteren Umgegend Schutz vor feindlichen Überfällen finden konnte. Auch an anderen
Stellen des Landes wurden die Festungen wieder in Stand gesetzt und mit Truppen belegt,
nach Wiedereröffnung der Goldbergwerke in der östlichen Wüste kamen neue Kolonisten
ins Land, und so wurde im Verlauf weniger Jahrzehnte Nubien von der ägyptischen Kultur
erfaßt. Gewiß blieb es in den Augen der Ägypter nach wie vor „das elende Kusch“, aber es
verlor doch mehr und mehr seine Schrecken als Ausland, in dem kein Ägypter bestattet
sein wolltef1). Allerdings sind es gewiß nicht die Allervornehmsten und die höchsten in der
Provinzialverwaltung angestellten Beamten, deren Bestattungen in der S-Nekropole liegen;
sie werden wie vor Jahrhunderten Sorge getragen haben, daß man ihre Leichen in die
Heimat überführte. So ist von den Vizekönigen, die vermutlich ihren Amtssitz in Aniba
hatten, und von denen wohl der eine oder der andere dort auch gestorben sein mag, kein
Grab in der Nekropole gefunden worden; sie wurden in Theben, einige davon in dem Hügel
von Qurnet Mura'i bestattet(2). Selbst der „stellvertretende Königssohn“ cAnu, der ver-
mutlich in der Mitte der 18. Dynastie seines Amtes gewaltet hat, hatte sein Grab in Theben
und in Miam nur ein wahrscheinlich pyramidenförmiges Scheingrab (S 65), das sein An-
denken festhalten sollte.
Mit dem Anfang der 18. Dynastie fand die einheimische nubische Kultur ihr Ende;
in der Hyksoszeit war sie noch einmal aufgeblüht, und es waren sogar in nächster Nähe des
ägyptischen Friedhofs nubische Begräbnisstätten (die Friedhöfe C und B) entstanden.
Jetzt wurde sie in kurzer Zeit vernichtet. Die „Großen“ und gewiß auch die Kleinen von
Unternubien nahmen ägyptische Sitten an, und wie sie sich im Leben nach ägyptischer
Mode kleideten, so ließen sie sich auch nach dem Tode auf ägyptische Weise bestatten.
Nicht wenige von ihnen werden ihr nubisches Volkstum auch darin verleugnet haben, daß
sie statt der Namen in ihrer Volkssprache sich ägyptische Namen beilegten. So trägt z. B.
der zur Zeit Tutanchamuns lebende
reinen Negertypus hat und noch nach Negerart „afrikanisch“ gekleidet ist, den im NR
nicht seltenen, gut ägyptischen Namen Hkz-nfv „der Fürst ist gut“(3). Wir dürfen ohne
weiteres annehmen, daß unter der Menge der im S-Friedhofe von Aniba und in den NR-
Friedhöfen von Buhen Bestatteten, auch unter denen, die ägyptische Namen tragen und
ägyptische Beamtentitel führen, sich mancher ägyptisierte Nubier befindet, der kein Be-
denken getragen hat, an der Seite der Landfremden seine ewige Ruhestatt zu haben.
In der 18. Dynastie muß die Gräberstadt des S-Friedhof mit ihren Ziegelkapellen einen
überaus stattlichen Eindruck gemacht haben, besonders nachdem auch in dem Abschnitt
(9 Kees, Kulturgeschichte S 347.
(2) In Qurnat Mura'i liegt das Grab des Huj (No. 40, Zeit des Tutanchamun); ebenda war wahrscheinlich
auch der „Königssohn“ Mrms (Amenophis III.) bestattet; vgl. Gauthier, Recueil 39 (1921), 194!.; Varille,
Annales 33 (1933), 83 t.
(3) Davies-Gardiner, Tomb of Huy S. 23, Taf. 27; Ranke, NWb 256, 10. Vgl. S. 250 Nr. 98.
„Häuptling von Miam“, der übrigens