ALLGEMEINES
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rung keines besonderen Wohlstandes erfreute und nicht imstande war, die Kosten eines
eigenen Grabbaus für sich und für ihre engere Familie zu tragen.
Die weitere Frage, wie lange in Aniba und auch in anderen nubischen Friedhöfen ein
Massen- oder Familiengrab in Gebrauch geblieben ist, und über welchen bestimmten Zeit-
raum sich die darin gefundenen Bestattungen erstrecken, läßt sich schwer beantworten,
da wie gesagt fast alle derartigen Gräber geplündert und nicht in ihrem ursprünglichen Zu-
stande auf uns gekommen sind. Soweit wir sehen können, sind die meisten von mehreren
Generationen benutzt worden. So hat das Felsengrab No. 308 in dem Friedhof von Kuban
von der Zeit Thutmosis’ III. bis in die 19. Dynastie, also gewiß 200 Jahre, als Massengrab
gedient (Firth III 95), und eine nicht kürzere Zeit wird man beispielsweise auch für das
Grab 11 im Friedhof 7 von Schelläl annehmen dürfen, in dessen beiden Kammern 135
Leichen (54 Männer, 68 Frauen, 13 Kinder) bestattet gewesen sind (Reisner 69). Ähnlich
lange sind auch in Ägypten die Massengräber in Gebrauch gewesen: die Bestattungen in
dem 1903 von Möller und Rubensohn aufgedeckten Massengrab der Harsaphes-Priester
bei Abusir el-Meleq reichen über mehr als zwei Jahrhunderte (Möller, Ägypt. Goldschmiede-
arbeiten S. 32).
Unter diesen Umständen ist die Datierung eines Massengrabes nicht leicht. Mit Recht
hat Möller (a. a. O. 31 f.) darauf hingewiesen, daß man nicht berechtigt ist, die Datierung
einer einzelnen Bestattung in einem Massengrabe auf die ganze Anlage auszudehnen. Als
charakteristisches Beispiel fügt er hierfür an, daß man lange Zeit das von Passalacqua in
Theben aufgedeckte Massengrab (Passalacqua, Catalogue raisonne S. 158t.) in die 19. Dy-
nastie gesetzt hat, weil eine in ihm gefundene Malerpalette den Namen Ramses’ II. trägt;
ein ebendaher stammender Sarg mit all seinen Beigaben gehört aber einwandfrei in die
zweite Hälfte der 18. Dynastie, andere Stücke vielleicht sogar in deren erste Hälfte.
So ist denn auch für die Datierung der Massengräber in den nubischen Friedhöfen,
in unserem Falle für die der Gräber des S-Friedhofes in Aniba, Vorsicht geboten. Allerdings
liegen hier die Verhältnisse oft etwas einfacher, da in der Regel die Gesamtheit der
aus einem Grabe stammenden Funde einen einheitlichen Charakter trägt.
Als Mittel für die Zeitbestimmung kommen in erster Reihe Inschriften auf den ver-
schiedenen Bauteilen oder auf Grabsteinen, sowie Inschriften auf Beigaben in Betracht.
Ihre Zahl ist leider nur sehr klein. Bei diesem Mangel sind wir vornehmlich auf die Ton-
gefäße, Steingefäße, Skarabäen und Schawabti angewiesen, für die aus Ägypten feste
Daten gewonnen sind; diese können als unumstößlich gelten und ohne weiteres auch auf die
in Nubien gemachten Funde angewendet werden. Aber eine allzugroße Genauigkeit ist nicht
erreichbar, und die Möglichkeit, ein Grab oder ein Einzelstück durch den Namen einer auch
sonst bekannten, historisch beglaubigten Persönlichkeit der Regierung eines bestimmten
Königs zuzuweisen, ist nur selten gegeben. So müssen wir uns mit ungefähren Daten be-
gnügen, etwa MR, wobei an die zweite Hälfte der 12. und an die 13. Dynastie zu denken ist,
Hyksoszeit, unterder ich die gesamte,, zweite Zwischenzeit“ (secondintermediateperiod) vom
Zusammenbruch des MR bis zu den ersten Anfängen des NR verstehe, erste Hälfte der
18. Dynastie, d. h. bis in die Regierungszeit Amenophis’ III., 19. Dynastie (Zeit Ramses’ II.)
und-20. Dynastie, die beide auch als „ramessidisch“ zusammengefaßt werden. Aber noch
einmal sei wiederholt, daß in allen den Fällen, in denen der Gesamtfund nicht mit Sicher-
6 Steindorff.
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rung keines besonderen Wohlstandes erfreute und nicht imstande war, die Kosten eines
eigenen Grabbaus für sich und für ihre engere Familie zu tragen.
Die weitere Frage, wie lange in Aniba und auch in anderen nubischen Friedhöfen ein
Massen- oder Familiengrab in Gebrauch geblieben ist, und über welchen bestimmten Zeit-
raum sich die darin gefundenen Bestattungen erstrecken, läßt sich schwer beantworten,
da wie gesagt fast alle derartigen Gräber geplündert und nicht in ihrem ursprünglichen Zu-
stande auf uns gekommen sind. Soweit wir sehen können, sind die meisten von mehreren
Generationen benutzt worden. So hat das Felsengrab No. 308 in dem Friedhof von Kuban
von der Zeit Thutmosis’ III. bis in die 19. Dynastie, also gewiß 200 Jahre, als Massengrab
gedient (Firth III 95), und eine nicht kürzere Zeit wird man beispielsweise auch für das
Grab 11 im Friedhof 7 von Schelläl annehmen dürfen, in dessen beiden Kammern 135
Leichen (54 Männer, 68 Frauen, 13 Kinder) bestattet gewesen sind (Reisner 69). Ähnlich
lange sind auch in Ägypten die Massengräber in Gebrauch gewesen: die Bestattungen in
dem 1903 von Möller und Rubensohn aufgedeckten Massengrab der Harsaphes-Priester
bei Abusir el-Meleq reichen über mehr als zwei Jahrhunderte (Möller, Ägypt. Goldschmiede-
arbeiten S. 32).
Unter diesen Umständen ist die Datierung eines Massengrabes nicht leicht. Mit Recht
hat Möller (a. a. O. 31 f.) darauf hingewiesen, daß man nicht berechtigt ist, die Datierung
einer einzelnen Bestattung in einem Massengrabe auf die ganze Anlage auszudehnen. Als
charakteristisches Beispiel fügt er hierfür an, daß man lange Zeit das von Passalacqua in
Theben aufgedeckte Massengrab (Passalacqua, Catalogue raisonne S. 158t.) in die 19. Dy-
nastie gesetzt hat, weil eine in ihm gefundene Malerpalette den Namen Ramses’ II. trägt;
ein ebendaher stammender Sarg mit all seinen Beigaben gehört aber einwandfrei in die
zweite Hälfte der 18. Dynastie, andere Stücke vielleicht sogar in deren erste Hälfte.
So ist denn auch für die Datierung der Massengräber in den nubischen Friedhöfen,
in unserem Falle für die der Gräber des S-Friedhofes in Aniba, Vorsicht geboten. Allerdings
liegen hier die Verhältnisse oft etwas einfacher, da in der Regel die Gesamtheit der
aus einem Grabe stammenden Funde einen einheitlichen Charakter trägt.
Als Mittel für die Zeitbestimmung kommen in erster Reihe Inschriften auf den ver-
schiedenen Bauteilen oder auf Grabsteinen, sowie Inschriften auf Beigaben in Betracht.
Ihre Zahl ist leider nur sehr klein. Bei diesem Mangel sind wir vornehmlich auf die Ton-
gefäße, Steingefäße, Skarabäen und Schawabti angewiesen, für die aus Ägypten feste
Daten gewonnen sind; diese können als unumstößlich gelten und ohne weiteres auch auf die
in Nubien gemachten Funde angewendet werden. Aber eine allzugroße Genauigkeit ist nicht
erreichbar, und die Möglichkeit, ein Grab oder ein Einzelstück durch den Namen einer auch
sonst bekannten, historisch beglaubigten Persönlichkeit der Regierung eines bestimmten
Königs zuzuweisen, ist nur selten gegeben. So müssen wir uns mit ungefähren Daten be-
gnügen, etwa MR, wobei an die zweite Hälfte der 12. und an die 13. Dynastie zu denken ist,
Hyksoszeit, unterder ich die gesamte,, zweite Zwischenzeit“ (secondintermediateperiod) vom
Zusammenbruch des MR bis zu den ersten Anfängen des NR verstehe, erste Hälfte der
18. Dynastie, d. h. bis in die Regierungszeit Amenophis’ III., 19. Dynastie (Zeit Ramses’ II.)
und-20. Dynastie, die beide auch als „ramessidisch“ zusammengefaßt werden. Aber noch
einmal sei wiederholt, daß in allen den Fällen, in denen der Gesamtfund nicht mit Sicher-
6 Steindorff.