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Weber, Gregor [Hrsg.]
Kulturgeschichte des Hellenismus: von Alexander dem Großen bis Kleopatra — Stuttgart: Klett-Cotta, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.45206#0010
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der politischen Geschichte im Vordergrund zu stehen — sie hat für die Erstellung
des Rahmens durchaus ihre Berechtigung’4 —, sondern es sind Themen in den
Blick zu nehmen, bei denen die Wahrnehmungs-, Denk- und Elandlungsmuster
sowie die zugrunde liegende >Mentalität< der Protagonisten für die Zeit des Hel-
lenismus besonders hervortreten.15 Kultur meint also nicht einen eigenen Sek-
tor, sondern einen Prozeß, der alle Teilbereiche des gesellschaftlichen Lebens
geprägt hat. Gerade für die hellenistische Zeit besteht die Möglichkeit, durch
den hohen Bestand an Inschriften und — besonders in Ägypten — Papyrustexten
nicht allein die Perspektive der gebildeten Elite einzufangen, sondern zumindest
exemplarisch ein größeres Spektrum an Bevölkerungsgruppen und deren Men-
talität vergleichend in den Blick zu nehmen.’6
Betrachtet man die Geschichte der hellenistischen Zeit aus einer kulturge-
schichtlichen Perspektive, steht zugleich die traditionelle, an der politischen
Geschichte orientierte Periodisierung einer von Alexander dem Großen bis zum
Ende des Ptolemäerreiches reichenden Epoche auf dem Prüfstand. Zum einen
ist vieles - etwa die Monarchie (basileia) und die Stadt (pölis) als solche oder
neue Strömungen in der Literatur — bereits in der Zeit vor dem Hellenismus
in der Welt der Griechen oder auch des Vorderen Orients anzutreffen. Zum
anderen bedeutet >Neues< in hellenistischer Zeit keineswegs, daß damit >Älte-
res< — etwa Verhaltensweisen im innerfamiliären Kontext, die Verehrung der
Götter einer pölis oder die Demokratie als Verfassungsform — einfach hinfällig
oder überholt waren. Deshalb ist bei allen Themen darauf zu achten, was im
Hellenismus spezifisch hellenistisch ist bzw. in welcher Beziehung Kontinui-
täten und Brüche zueinander stehen. Denn danach bemißt sich letztlich, an
welchem Punkt eine Epochengrenze als sinnvoll festgemacht wird.
Dies betrifft die Kontinuität zum 4.JI1., noch mehr jedoch die Festlegung
des Epochenendes: Politisch gesehen war bereits vor dem Jahr 30 v. Chr. das
letzte hellenistische Großreich, das Ptolemäerreich in Ägypten, von der neuen
Weltmacht Rom abhängig. In vielen anderen Sektoren hingegen — der Religion,
der Selbstverwaltung, des Zusammenlebens, besonders in den Städten des grie-
chischen Ostens — ist auch danach gerade kein Bruch gegenüber der hellenisti-
schen Zeit erkennbar. Vielmehr erhebt sich die Frage, ob der Bruch dann mit der
Spätantike oder erst mit dem Aufkommen des Islam im 7. Jh. n. Chr. zu konstatie-
ren ist. Mehr noch: Für manche Bereiche — politisch wie sozial — erscheint eine
Zäsur um 200 v. Chr., also innerhalb der Epoche, so markant, daß die eigentlichen
Epochengrenzen demgegenüber eher zurücktreten. Und: All diese Einschnitte
haben ihre lokalen Komponenten, etwa dergestalt, daß in Griechenland und in
Kleinasien Entwicklungen völlig anders verliefen bzw. bereits in der nächsten,

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KULTURGESCHICHTE ALS PROBLEM
 
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