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Weber, Gregor [Hrsg.]
Kulturgeschichte des Hellenismus: von Alexander dem Großen bis Kleopatra — Stuttgart: Klett-Cotta, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.45206#0242
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JUDENTUM UND HELLENISMUS
von Klaus Bringmann

Die Geschichte einer spannungsreichen Beziehung
Den Juden war verboten, sich von Gott ein Bild zu machen, und dieses Verbot
erstreckte sich auch auf das Ebenbild Gottes, den Menschen. Im 3. Jh. n. Chr.
formulierte dies Rab Scheschet so: »Alle Bilder sind (dem Israeliten zur Anfer-
tigung) erlaubt, ausgenommen das Bild des Menschen« (bAvoda Zara 44b). Aber
in ebendiesem Jahrhundert wurde das Innere der Synagoge von Dura-Europos
am Euphrat mit prächtigen Fresken geschmückt, die ungeachtet des Bilderver-
bots Erzählungen des Alten Testaments in einen Bilderzyklus verwandeln.1 Ihm
entstammt die Doppelszene (Abb. 27), die ein in der kollektiven Erinnerung
der Juden fest verankertes Schlüsselereignis wiedergibt: Die im 14. Kapitel des
zweiten Buch Mose erzählte Geschichte von der wunderbaren Errettung des
Volkes Israel vor den ägyptischen Verfolgern. Die dem Bild beigegebene aramä-
ische Inschrift lautet knapp und treffend: »Mose, als er aus Ägypten auszog und
das Meer spaltete.« Die rechte Bildhälfte zeigt den Untergang der Verfolger
im Roten Meer, die linke den Durchzug der Israeliten durch das Schilfmeer.
Dort ist in der unteren Hälfte das von Bewaffneten beschützte Volk dargestellt,
in der oberen die Führer der zwölf Stämme mit ihren Standarten. Die Mitte
des Bildes nehmen zwei zu übermenschlicher Größe gesteigerte Gestalten des
Mose ein. Jeweils eine ist den beiden rechts und links dargestellten Szenen
zugeordnet. Mose erscheint so als die dominierende Gestalt des Geschehens,
aber er ist dies nicht aus eigener Kraft, sondern als Repräsentant und Werk-
zeug Gottes, dessen Allmacht durch die aus dem Himmel herabgestreckten
riesenhaften Hände symbolisiert wird. Wie war es möglich, so wird man fragen,
daß trotz des Bilderverbots die biblischen Erzählungen in der Synagoge von
Dura-Europos in Historienmalerei umgesetzt wurden? Es lag an der griechisch
geprägten Umwelt, in der die Juden seit der Zeit Alexanders des Großen lebten.
Sie war durch die Macht der allgegenwärtigen Bilder bestimmt. Sie begegneten
auf Grabmälern, in Heiligtümern sowie in öffentlichen Bauten und privaten
Häusern. Vielfach entstammten die Sujets der gemeinschaftsstiftenden kollek-

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JUDENTUM UND HELLENISMUS
 
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