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Weber, Gregor [Hrsg.]
Kulturgeschichte des Hellenismus: von Alexander dem Großen bis Kleopatra — Stuttgart: Klett-Cotta, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.45206#0139
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RELIGION UND MYTHOS

von Angelos Chaniotis

>Typisch hellenistische ein hellenistischer Ritualtext
Einer der bekanntesten Ritualtexte der hellenistischen Zeit ist der Hymnos,
der 291 v. Chr. komponiert wurde, um beim Empfang von König Demetrios
dem Städtebelagerer in Athen aufgeführt zu werden (Duris, FGrHist 76 F 13;
Demochares, FGrHist 75 F2). Der Text ist nicht nur eine außerordentlich
wichtige Quelle für den hellenistischen Herrscherkult.1 Durch seine Gestal-
tung, die Wortwahl, seinen Inhalt und die allgemeine Stimmung exemplifiziert
er wie kaum ein anderes schriftliches Zeugnis auch wesentliche Merkmale
religiösen Zeitgeistes. Im ersten Teil wird die Epiphanie, die Ankunft der Göt-
ter, gefeiert:
»Die größten (megistoi) Götter und auch die liebsten (philtatoi) sind heute
in unserer Stadt anwesend. Denn Demeter sowie Demetrios zugleich führte
her zu uns die Gunst des Augenblicks. Die eine kam, um die heiligen Myste-
rien Kores hier zu feiern, und dieser, wie es einem Gott ziemt, ist da: heiter,
herrlich, fröhlich. Die Stimmung ist ernst; alle Freunde rings im Kreis und
er selbst inmitten. Ein Bild, in dem die Freunde gleich der Sternenschar, er
jedoch die Sonne. Sohn Poseidons, des mächtigsten (krätistos) der Götter,
und Aphrodites, Dir zum Gruße« (Übers, nach C. Friedrich).
Der Verfasser des Textes häuft hier göttliche Anrufungen in der Superlative:
megistoi, philtatoi, krätistos. Seine Absicht war, dadurch die göttliche Macht —
konkret: die für die Menschen wirksame Macht — zu steigern. Aber obwohl
er mit diesen Attributen die unüberbrückbare Distanz zwischen Göttern und
Menschen in bezug auf Macht unterstreicht,3 überwindet er die physische Ent-
fernung zwischen Menschen und Göttern: Die Götter sind ja in der Stadt prä-
sent; zwei von ihnen, Poseidon und Aphrodite, werden als göttliche Erzeuger des
Königs verstanden. Um so überraschender wirkt es, wenn dann in der zweiten
Hälfte des Hymnos die Existenz der Götter geleugnet wird:

RELIGION UND MYTHOS

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