Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Weber, Gregor [Hrsg.]
Kulturgeschichte des Hellenismus: von Alexander dem Großen bis Kleopatra — Stuttgart: Klett-Cotta, 2007

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45206#0354
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DER HELLENISMUS ALS KULTUREPOCHE

von Hans-Joachim Gehrke

Periodisierung als Problem
Kaum ein Epochenbegriff hat sich so stabil gehalten wie der des Hellenismus,
seitdem er von Johann Gustav Droysen am Beginn seines Alexander-Buches —
als Auftakt zu einer ursprünglich umfassend angelegten Geschichte des Hellenis-
mus — mit biblischen Anklängen markant eingeführt wurde: »Also drängt sich
das Chaos des Menschengeschlechtes Flut auf Flut; über den Wassern wehet
der Geist Gottes, ein ewiges Werden, eine Schöpfung ohne Sabbat. Und wie an
dem ersten Schöpfungstage Gott das Eicht von der Finsternis schied, und aus
Abend und Morgen der erste Tag ward, so hat der erste Tag der Geschichte die
Völker aus Abend und Morgen zum ersten Male geschieden zu ewiger Feind-
schaft und dem ewigen Verlangen der Versöhnung; denn es ist das heben des
Geschaffenen, sich aufzuzehren und zurückzusinken in die alte friedliche Nacht
des ungeschaffenen Anfangs; drum ringen die Völker aus Abend und Morgen
den Kampf der Vernichtung; sie sehnen sich nach endlicher Ruhe.«1
Droysens Geschichte des Hellenismus ist trotz ihres voluminösen Umfangs ein
Torso geblieben, und die jugendlich-emphatischen Anfangsworte finden sich in
der wesentlich späteren zweiten Auflage nicht mehr. In ihnen schimmert aber
die geschichtsphilosophische, ja, geschichtsteleologische Idee des Verfassers
deutlich durch: Im Sinne Hegels besteht das Voranschreiten der Geschichte in
einer spezifischen Dialektik, einem Widerspiel von Gegensätzen und Spannun-
gen, die zu einer Synthese führen, in der diese Gegensätze aufgehoben sind.
Eine solche Synthese stellte für Droysen der Hellenismus dar, in dem sich die
gegensätzlichen Kulturen von Morgenland und Abendland, Orient und Okzi-
dent, verkörpert durch die griechische und die altorientalische Tradition, mit-
einander verbanden. Sie ermöglichten mit ihrer synthetischen Verschmelzung
die Offenbarung und Ausbreitung des Christentums, ein für den preußischen
Pfarrerssohn entscheidendes Phänomen der Weltgeschichte.
Obwohl die Fragwürdigkeit dieser — und übrigens auch anderer — Definitio-
nen nach ihrer inhaltlichen Seite hin klar erkannt und präzise analysiert wurde,3

DER HELLENISMUS ALS KULTUREPOCHE

355
 
Annotationen