Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Weber, Gregor [Editor]
Kulturgeschichte des Hellenismus: von Alexander dem Großen bis Kleopatra — Stuttgart: Klett-Cotta, 2007

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.45206#0077
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
den alten pöleis dazu bewogen haben, sein Land aufzugeben. Andererseits gab
es Faktoren, die die Herausbildung von Großgrundbesitz stärkten. Viele Mitglie-
der der Eliten profitierten unmittelbar von ihren Beziehungen zu den Königen
oder wurden in deren Diensten reich. Geldzahlungen und Landschenkungen
der Könige, wie diejenige von Antiochos I. an Aristodikides, schufen oft Besit-
zungen, die ganze Dörfer umfaßten. In wirtschaftlicher Hinsicht wäre zu über-
legen, inwieweit die geographische Ausdehnung des griechischen Lebensstils,
zu dem ein großer Bedarf an Olivenöl für die Gymnasien und an Wein für Sym-
posien und Beste gehörte, die Nachfrage nach diesen Produkten steigerte, den
Eernhandel belebte und Anreize für den Ausbau des Landes und Investitionen
in eine marktorientierte Produktion schuf. Wieder sind es in erster Linie die
wirtschaftlich ohnehin potenteren Großgrundbesitzer, die von solchen Chancen
profitieren konnten.53
Zusa mmenfass u ng
Die starke Kontinuität zwischen der klassischen und der hellenistischen Zeit
ist zu betonen: Die enge Verzahnung zwischen Stadt und Land und die anhal-
tend wichtige Rolle von Bürgern mit bäuerlichem Hintergrund bleiben für die
Poleis der hellenistischen Zeit kennzeichnend, bei aller Vielfalt in Größe und
Charakter der Städte. Diese Bauern scheinen in den mehr oder weniger demo-
kratisch verfaßten pöleis durchaus in den Volksversammlungen präsent gewesen
zu sein, denn die Probleme der chöra hatten dort eine hohe Priorität, wie viele
Dekrete zeigen. Wie die Landbevölkerung ihre eigene Situation wahrnahm, wis-
sen wir nicht. In den pöleis unter der Herrschaft der Könige griff die externe
Besteuerung durch den königlichen Apparat gewiß tief in die Verhältnisse auf
dem Land ein. Auch können wir damit rechnen, daß der Krieg überall in der
hellenistischen Welt für die Menschen auf dem Land eine vertraute Gefahr
und eine spürbare wirtschaftliche Belastung, oftmals sogar eine Bedrohung
ihrer Existenz darstellte. In dieser Hinsicht endete die hellenistische Zeit für
den ländlichen Raum erst im Prinzipat mit der Etablierung der pax Romana,
einer stabilen Eriedenszeit unter der Herrschaft der römischen Kaiser. Die
gesellschaftlichen Veränderungen sind schwerer zu fassen; zu dem allgemeinen
Szenario einer zunehmenden Schwächung demokratischer Institutionen im 2.
und 1. Jh. v. Chr., zu der die römische Herrschaft zweifellos beitrug, würde eine
zahlenmäßige Reduzierung oder zumindest ein politischer Bedeutungsverlust
der bäuerlichen Schicht unter den Bürgern passen.

DIE POLIS UND IHR UMLAND

77
 
Annotationen