Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

DOI issue:
Amtlicher Teil
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0186

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ls82 Nie Werkstatt der Kunst. XV, Heft lsh.

Verletzte über äie am 17. veremder ä.im künst-
lerhsuse rtattgehabte gemeinsame Versammlung
äer MgNeäer äer „Leression", äes „hagenbunäes"
unä Äer „Lenossenschatt üer biläenäen Künstler
Alens".
Der neue wiener Tizian nnd die Stellungnahme
der wiener Aünstlersehaft gegen die Kunsthisto-
riker.
Die Wiener Künstlergenossenschaft, die Vereinigung
bildender Künstler (Oesterreichs „Sezession" und der „Ha-
genbuud" versammelten sich heute gemeinschaftlich im
Künstlerhause, um in einer wichtigen Kunstfrage prin-
zipiell Stellung zu nehmen. Zuerst ergriff der Vorsitzende,
Herr Prof. Darnaut, das Wort und führte folgendes aus:
Der Direktor der kaiserlichen Gemäldegalerie, Or.
Glück, hat in einem vor einigen Tagen erschienenen Feuil-
leton der „Neuen-Freien-Presse" in dem Streit, der zwi-
schen Direktor Bode aus Berlin und dem Profefsorenkolle-
gium der wiener Akademie ausgebrochen war, nachträg-
lich Partei ergriffen, und zwar, wie dies von seinem Stand-
punkte aus leicht verständlich, sich auf die Seite Bodes
gestellt Die tatsächliche Grundlage dieses Streites ist
wohl für jeden Unbefangenen dadurch erledigt, daß das
strittige Bild, das im Jahre 1907 auf einer bedeutenden
Wiener Auktion — im illustrierten Katalog abgebildet,
als „Paolo Veronese" bezeichnet — zum Ausrufspreis
von K. soo.— ausgeboten und von in- und ausländischen
Gelehrten, Sammlern und Kennern besichtigt und ohne
daß jemand sich dafür interessiert hätte, von dem inzwischen
verstorbenen Kustos der akademischen Gemäldegalerie Re-
gierungsrat Gerisch im Auftrage des Profefsorenkollegiums
zum Ausrufspreis erworben und als höchstwahrscheinlich
von Tizian herrührend bezeichnet wurde. Dieses Bild
war dann ein volles Jahr unter den Neuerwerbungen
der Galerie auf einer Staffelei ausgestellt und blieb dann
bis zu der stets geplanten, wegen des beschränkten Platzes
ungemein schwierigen Neuordnung der Galerie ins Depot
gestellt. Herr Bode hat das betreffende Bild bereits auf einem
Ehrenplätze vorgefunden und schon der Diener, von dem
er seine Informationen bezog, hat es als vermutlichen
Tizian bezeichnet, so daß hier von einer „Entdeckung"
ebenso wenig die Rede sein kann als davon, daß die
gegenwärtigen Vorstände der Galerie die Bedeutung und
Provenienz des Bildes nicht erkannt hätten.
Ls handelt sich dabei aber nicht um diesen besonderen
Fall, sondern um die allgemeinen Folgerungen, die von
gewissen Seiten daraus gezogen werden. Der Aufsatz
des Herrn Vr. Glück besagt, wenn man von einigen ganz
unnötigen Komplimenten und Phrasen absteht, nicht mehr
und nicht weniger, als daß es nach dem neuesten Stande
der Kunstsorschung eine ausgemachte Sache sei, daß Maler
sich nie und nimmermehr zur Leitung von Galerien eig-
nen können und behauptet in der ohne jede Verschleierung
aufgestellten Schlußfolgerung, daß die nunmehr vakante
Stelle eines Vorstandes der akademischen Gemäldegalerie
einem Kunsthistoriker zufallen müsse. Forderungen sol-
cher Art sind in der letzten Zeit von einer bestimmten
Seite immer vertreten worden, sowie eine Galeriedirektor-
stelle zu besetzen war. Sie sind immer damit begründet
worden, daß die Künstler über Kunstwerke kein objektives
Urteil hätten und daß ein solches ausschließlich demjenigen
zuzuschreiben sei, der sich berufsmäßig mit historischen und
theoretischen Kunststudien beschäftigt und durch abgelegte
Prüfungen den Beweis Sachverständnisses erbracht zu haben
glaubt. Ls ist ja allen bekannt, daß unser Kollege und
Kunstkritiker A. F Seligmann zu diesen Fragen oft schon
in trefflicher und erschöpfender weise Stellung genommen hat.
Da es nun scheinen könnte, als ob die Künstlerfchaft
durch ihr bisher beobachtetes Schweigen den erwähnten

Behauptungen bis zu einem gewissen Grade wenigstens
zustimmen würde, so sehen sich die hier versammelten
Mitglieder der Vereinigungen „Künstlergenofsenschaft",
„Sezession" und „Hagenbund" anläßlich der letzten vom
Zaun gebrochenen Provokation veranlaßt, entschieden
Stellung zu nehmen. —
Der Vorsitzende erteilt nunmehr Herrn Gberbaurat
Prof. Leopold Bauer das Wort, welcher namens der Ver-
einigung bildender Künstler Oesterreichs „Sezession" fol-
gendes ausführt:
Der Direktor der kaiserlichen Gemäldegalerie, Herr
vr. Glück, benützt die Gelegenheit eines Feuillitons über
den neu ausgestellten Tizian der wiener Akademie, um
deren Galerieverwaltung und im allgemeinen auch die
Künstler in Bezug auf ihre Eignung zu Leitern von
Kunstsammlungen anzugreifen.
Im Laufe der letzten Jahre erfolgten Angriffe syste-
matisch sogar bei den verschiedenen Kunstbehörden, daß
der verdacht eines gemeinsamen Ursprunges und einer
ganz bestimmten Absicht nicht abzuweisen war. Der letzte
Satz des oben genannten Feuilletons spricht nun zum er-
stenmal klipp und klar das Ziel all dieser Bestrebungen
aus. Denn Herr Or. Glück sagt: „Im Interesse der
Künstler liegt es ebenso wie in dem der Sache, daß die
Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste einem
kunstgeschichtlich vorgebildeten Manne unterstellt werde."
Damit gibt der Verfasser zu, daß es sich ihm nicht nur
um Erörterung der in Frage stehenden künstlerischen An-
gelegenheiten handelt, sondern vornehmlich darum, in einer
wichtigen Besetzungsfrage für seine engeren Fachgenossen
Stimmung zu machen. Um nun aber fürs erste den an
die Adresse der Galerie gerichteten vorwürfen zu begegnen,
mit denen Direktor Glück feine Forderungen einleitet, er-
klären wir, daß wir die dei zeitige Organisation der Galerie-
verwaltung für ganz ausgezeichnet halten, denn diese
Galerie ist durch die Sorgfalt und Einsicht der Künstler
vor all den Gewalttätigkeiten und Schäden bewahrt wor-
den, denen in den letzten Jahrzehnten fo manche Galerie
ausgesetzt war. Ls würde gewiß das größte Aufsehen
erregen, wenn die Künstler, ausgerüstet mit ihrer Sach-
und Fachkenntnis, endlich einmal diejenigen Galeriedirek-
toren zur Rechenschaft ziehen wollten, welche den ihnen
anvertrauten Kunstschätzen durch unsachmäßige Behandlung
Schaden zugefügt haben, wir wollen hier nur einen
wichtigen Fall herausgreifen, der die Künstlerschaft Wiens
feit Jahren beunruhigt:
Bilder unseres Hofmuseums sind durch unglückliche
Restaurierungen beschädigt worden. Bereits im Jahre
1913 hat unsere Vereinigung folgendes Schreiben an Herrn
Direktor Glück gerichtet:
„Im Kreise der Künstlerschaft Wiens macht sich eine
Bewegung geltend gegen die Art der Restaurierung der
im k. k. Hofmuseum befindlichen alten Meister. Ls kommt
allgemein die Anschauung zum Ausdrucke, daß dabei viel-
fach zu weit gegangen wird, fo daß die Bilder an ihrem
gewohnten Aussehen in bedauerlicher weise einbüßen. Ja
die Ansichten gehen fo weit, daß in der Fortführung dieser
Art der Restaurierung eine große Gefahr für den kostbaren
Besitz, der als Gemeingut der gesamten Menschheit zu be-
trachten ist, erblickt werden müßte. In diesem Sinne sind
der Vereinigung von den verschiedenen Seiten Aeußerungen
in der heftigsten Form zugekommen.
Obwohl wir uns dessen bewußt sind, daß es sich hier
um den privaten Besitz der kaiserlichen Gemäldegalerie
handelt und wir an den Institutionen der kaiserlichen Ge-
mäldegalerie zur Erhaltung der Bilder Einstuß zu üben
nicht berechtigt sind, fühlen wir uns doch verpflichtet, Sie,
sehr geehrter Herr Direktor, schon jetzt darauf aufmerksam
zu machen, daß eine mächtige Bewegung gegen die ge-
pflogene Art der Restaurierung bereits tatsächlich besteht
und es nicht unwahrscheinlich ist, daß diese Bewegung
auch den weg in die Oeffentlichkeit nehmen wird.
wir wären andererseits gerne bereit, Hand in Hand
mit Ihnen Mittel und Wege zu suchen, der drohenden Ge-
 
Annotationen