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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0187

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XV, Heft lsq.

Die Werkstatt der Kunst.

18Z

fahr für die Zukunft vorzubeugen, können aber, wie be-
reits erwähnt, zu diesen Vorkommnissen nicht länger schwei-
gen, umsomehr, als auch in der letzten Vollversammlung
sich Stimmen aus den Plenum erhoben und den Ausschuß
aufgefordert haben in dieser Angelegenheit energisch
Stellung zu nehmen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
für die Vereinigung bildenderKünstler Oesterreichs „Sezession"
A. Hänisch m. x. R. Bacher m. p.
Schriftführer Präsident
Da dieser Schritt unserer Vereinigung erfolglos blieb,
sollte nur die Rückkehr normaler Zeiten abgewartet werden,
um die ganze Angelegenheit öffentlich zur Sprache zu
bringen. Durch das Feuilleton des Herrn Direktor Glück
sind wir gezwungen, dies heute schon zu tun.
Die Künstlerschaft war sehr betroffen, daß keine der
Koryphäen unserer Museen als ehrliche Warner die
Interessen der Allgemeinheit geschützt hat. wartete Ex-
zellenz Bode vielleicht darauf, daß ihn wieder ein Galerie-
diener aufmerksam mache, wie sehr die Bilder des Palma
Vecchio durch unrichtige Restaurierung gelitten haben?
Lin in dieser Hinsicht aufklärender Artikel wird leider von
Seite solcher Autoritäten nicht kommen. Angriffe gegen
Kollegen sind undankbar; denn man benötigt die kollegiale
Unterstützung zu oft; zum Beispiel wenn es gilt Stimmung
für die Werke des einen oder anderen Meisters zu machen,
oder um die Marktpreise der Bilder in erwünschter weife
zu beeinflussen. Von der Kunstgelehrsamkeit zum Händ-
lertum führen in unserer Zeit viele Wege! wir halten
es daher für unerläßlich, daß zur Verwaltung öffentlichen
Kunstbesitzes auch Künstler herangezogen werden, welche
mit geschultem künstlerischen Blick den wahren, von aller
Historie und allem Händlertum unabhängigen wert eines
Kunstwerkes zu beurteilen vermögen. Der Fall des oft er-
wähnten Tizianbildes erweist dies aufs klarste. Dieses
Bild wurde mit einer bekannten Kunstsammlung verstei-
gert, zu der die Direktoren aller europäischen Galerien ein-
geladen waren. Der Name Paolo Veronese, also eines
allerersten Meisters, wird zweifellos alle Kunstkenner be-
wogen haben, sich das Bild anzusehen; keiner von ihnen,
auch nicht der Direktor des Hofmuseums, hielt damals
das Bild für künstlerisch bedeutend. Ls schien niemandem
den Ankaufspreis von Kronen 600.—, um den es die Aka-
demie erstand, wert zu sein. Heute nachdem das Bild die
Etikette Tizians trägt, schreibt Direktor Glück folgendes:
„Das ganze Kolorit macht jenen so unbeschreiblichen, wie
unvergeßlichen blumigen Eindruck, den wir nie vor an-
deren Erzeugnissen der Malerei empfangen haben, als vor
den späten Schöpfungen Tizians." Beabsichtigen nicht et-
wa diese ärgerlichen Phrasen den Mangel an Verständnis
zu verdecken? vorher, Herr Galeriedirektor, bevor die
Akademie das Bild kaufte, hätten Sie das blumige Kolorit
Tizians entdecken müssen!
Der Fall des Tizianbildes steht aber nicht etwa ver-
einzelt da. Gerade die Künstler wissen, wie wenig wirk-
lich künstlerisches Urteil manchen der Herren Kunstbeamten
zugetraut werden darf, wenn es sich um ein neues Werk
handelt, für welches kein „Vorakt" existiert, wir wollen
jedoch den Kunsthistorikern keineswegs die volle Aner-
kennung für Arbeitsgebiete verweigern, wo sie stets ganz
Hervorragendes leisten. Die Geschichte der Kunst ist ihr
eigentliches Gebiet. Verläßliche Kataloge herzustellen,
Schriften und gelehrte Abhandlungen über einzelne Kunst-
werke zu verfassen, alte und neuere Meister dem Ver-
ständnis des Publikums näher zu bringen, die Kunst-
sammlungen so zu ordnen und zu gliedern, daß sie eine

Uebersicht über die werte einzelner Meister oder zusammen
hängender Epochen ermöglichen — dies und vieles andere
bietet ein weites Feld zur erfolgreichen Tätigkeit. Aber
es gibt viele Kunstangelegenheiten, wo künstlerisches Sehen
und fachtechnisches Können unentbehrlich sind; in diesen
Fällen wird der Künstler trotz seines Mangels an Kunst-
gelehrsamkeit meistens richtigere Urteile abgeben können,
als der Kunstgelehrte. Handelt es sich gar um Eingriffe
in Kunstwerke, so sind Künstler zur Entscheidung aller
auftretenden Fragen berufen. Anstatt die Autorität der
Künstler zu bekämpfen, sollten die Kunsthistoriker alle un-
angebrachte Ueberhebung vermeiden und im Interesse der
Kunst gemeinsame Arbeit mit Künstlern anstreben. Be-
rühmte Kunstgelehrte haben oft die Gesellschaft ausüben-
der Künstler gesucht, um die eigenen Erfahrungen auf
diese weise zu ergänzen und zu bereichern. Und eben,
weil wir diese gemeinsame, sich gegenseitig fördernde Ar-
beit wünschen, müssen wir den hochfahrenden und ver-
letzenden Ton, den manche Museumsbeamte in letzter Zeit
hervorragenden Künstlern gegenüber anzuschlagen belieben,
zurückweisen. Es sind unsere und unserer Vorgänger
Werke, die sie mit der gebührenden Ehrfurcht zu behüten
haben. Unsere Werke allein geben ihnen Stoff zu ihren
geistreichen Essays und kunstkritischen Betrachtungen. Als
die Ausleger Kants ihre eigene Bedeutung zu überschätzen
anfingen, rief man ihnen ein scharfes, aber treffendes
Wort zu; da auf einen groben Klotz ein grober Keil ge-
hört, wollen wir es heute wieder anwenden, um das Ver-
hältnis zwischen Künstler und Kunsthistoriker klarzustellen:
„wenn Könige bauen, haben die Kärrner zu tun."
Nachdem Herr Oberbaurat Prof. Leopold Bauer feine
Ausführungen beendet hatte, nahm die Versammlung
folgende vom Vorsitzenden verlesene Resolution an: über
Antrag des Herrn Maler Gemeinderat A. D. Goltz ohne
Debatte einstimmig an:
Die hier versammelten Mitglieder der Künstlergenoffen-
schaft, der Sezession und des Hagenbundes erheben ener-
gischesten Einspruch gegen die ebenso unerweisliche als
anmaßende Behauptung, welche dem Künstler das Ver-
ständnis für Verwaltung und Leitung einer Kunstsamm-
lung absxricht, dagegen ausschließlich jenen zuweist, die das
Wesen und das Technische der Kunst nicht aus eigener
Erfahrung kennen und daher ihr Urteil teils durch Mei-
nungen der Künstler ergänzen, teils auf Grund von Doku-
menten und Ouellenstudien abgeben müssen.
Sie stellen ferner fest, daß es sich, wie jeder Unbe-
fangene einsieht, bei der Besetzung solcher Stellen einzig
und allein um die persönliche Eignung des Kandidaten
handeln kann und muß, gleichgültig, ob er ausübender
Künstler oder Kunstgelehrter ist.
Die versammelten erklären ferner, daß die Künstler,
welche die akademische Gemäldegalerie verwalten, ihre
Pflicht in hervorragender weise erfüllt und dadurch den
Beweis des Vorhergesagten erbracht haben.
wir können den Dünkel mancher Kunstgelehrten nicht
bester charakterisieren als durch die Worte unseres Meisters
Führich, welcher sagt: „Höchst irrtümlich ist es, wenn dem
Mangel an Kunstintereffe durch Unterricht in der Kunst-
geschichte auf archäologisch-wissenschaftliche weise soll ab-
geholfen werden. Das gibt eine Ueberhebung in Hun-
derten von Gemütern und bringt sie unter der trügerischen
Form, als wüßten sie die Kunst, für immer um die Sache.
Beiseite geschoben kann diese Wissenschaft der Kunst nicht
werden, zumal in unseren Tagen nicht, wo die Hoffart
alles der Wissenschaft zuzuführen sucht. Aber die Heimat
der Kunst ist nicht Breite und Länge irdischen Bücher-
materials, sondern Höhe und Tiefe; Entfernung von Gott
oder Gottcsnähe.
 
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