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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 3.1908

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Hamann, Richard: Das Wesen des Plastischen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3433#0019
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DAS WESEN DES PLASTISCHEN. 15

'hren Lebenszweck erfüllen, nimmt die plastische Anregungskraft der
Körperbilder mit steigender individueller oder sozialer Kultur immer
"lehr ab. Insofern ist Plastik eine relativ primitive oder frühe Kunst.
5. Alles in allem, auf die Ordnung und den Zusammenhang der
Plastischen Formen und auf das Moment organischer Betätigung oder
organischer Empfindung hin angesehen, können wir sagen: Plastik ist
Organisation der Materie.

B) Plastik als Ausdruck körperlichen Verhaltens.
Wenn Plastik als Kunst uns Werke vorführt, die durch ihre Be-
tonung fester Körperlichkeit und klarer Formzusammenhänge uns einen
sichtbaren Inhalt in Erinnerungen an bestimmte vom Willen geleitete
Korperbewegungen genießen und werten lassen, so kann sie dasselbe
n°ch auf eine andere Weise, nämlich durch Darstellung der körper-
lichen Gestalt des Menschen selbst. Das Bild eines fremden mensch-
ichen Körpers ist durch seine Ähnlichkeit mit dem unseres eigenen
jm stände, uns an die bei einer gegebenen Haltung oder Bewegung
innerlich erlebten Körpergefühle und Willensimpulse zu erinnern und
ihre Nachahmung anzuregen. Hier würde also der plastische Genuß
nicht in der äußeren Wahrnehmung der Form durch Tastbewegungen,
sondern in der Nachahmung der inneren Zustände, der Beseeltheit des
Körperlichen bestehen. Durch diese Beziehung zu den willentlichen
altungs- und Bewegungserlebnissen wird sofort verständlich, warum
'eselbe Kunst und dieselben Künstler, die die Körperbildung zu
"nstlerischen Eindrücken verarbeiten, bei der Körperdarstellung die
erschliche Gestalt bevorzugen. Inhalt und Form stimmen in der
as^lk auf diese Weise völlig überein.
wo t llier ^''* es e'ne Gesetzmäßigkeit zu erkennen durch Beant-
Ausd "g, der ^rage: welche Darstellungsweisen braucht die Plastik als
alleinT körPerlichen Verhaltens, um die Körperlichkeit des Menschen
zu t ' r SlC'1 w'r'<en zu lassen und die in ihr gegebenen Motive so
den F h"' ^ S'e *ur s'c'1 e'nen völlig einheitlichen und erschöpfen-
n Lindruck hinterlassen. Daß es Werke gibt, die die Menschlich-
nur nach Seite der körperlichen, und, weil in der Kunst zwecklos
jW*e"' sportlichen Funktionen verarbeiten, lehrt wohl am besten
er Diskuswerfer des Myrrhon, bei dem jeder fühlt, daß die besondere
^orperverschiebung, der angespannte Wille, sich in der momentanen
age zu halten, sowie die Erinnerung an das Hereinkommen in diese
age und das Herauskommen aus ihr, das Diskuswerfen also der
ganze Inhalt dieses Kunstwerkes ist.

. a die Anregungskraft, ein Bild oder einen gesehenen Körper
■nnerlich funktionierend aufzufassen, durch die Ähnlichkeit mit unserem
 
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