DAS WESEN DES PLASTISCHEN. 41
Treten durch ein Ziel zu bringen gilt, so daß die einseitige Geschick-
lichkeit oder die bloße Freiluftemotion der Zweck der Übung ist. Aller
englischer Sport, alle Gewinnspiele werden kaum im klassisch-plasti-
schen Sinne erzieherisch wirken. Wirklich plastisch produktiv wird
immer nur eine Zeit sein, wo die Körperkultur ein Bestand des ganzen
Lebens geworden ist, wo denn auch die Plastik nicht wie eine Vor-
stellung bei einem Turnerfest genossen wird, sondern als die dauernde
Umgebung, in der allein man zu leben vermag. In dieser Zeit ist die
klassische Plastik dekorativ, ohne sich an ein übergeordnetes Ganzes,
eine Architektur anlehnen zu müssen, weil sie rein für sich eine
schöne Dekoration des Daseins bildet, eine Atmosphäre, in der man
'ebt. Klassische Plastik ist frei dekorativ.
m Einen Übergang zur barocken Plastik, einen klassisch-barocken
Ubergangsstil, haben wir in einigen Statuen, die unter dem Namen
des Lysipp zusammengefaßt werden.
In der berühmten Statue des Schabers lassen sich zwei Tendenzen
konstatieren, einmal das Bedürfnis einer unplastisch empfindenden Zeit
nach dem Entspannten und Weichen, es ist ein Auftreten mit beiden
Sohlen, infolgedessen ein lässiges Stehen wie beim »Rührt-euch«,
und zugleich sind die Muskeln unbestimmter gebildet, weicher; daher
zusammen mit der Schlankheit der Glieder und des Körpers der Ein-
druck des Eleganten und Lässigen. Der Oberkörper läßt sich auch
gehen, er fällt leicht vornüber, statt den vorgestreckten Armen durch
Rückbeugung das Gegengewicht zu halten, eine typisch lässige Haltung
junger Elegants, eine affektierte Hinfälligkeit. In diesem Vorstrecken
der Arme zum Motiv des Schabens liegt ein aktuelles Funktionieren,
eine Tätigkeit anstatt des bloßen Sich-Verhaltens der klassischen Plastik.
Ohne Zweifel, daß diese Plastik infolgedessen viel lebendiger zur
Nachahmung reizt als die klassische, aber auch formzerstörend wirkt.
Y°m Standpunkt der Gesamtform ist dieses Vorstoßen der Arme häß-
lich, das Blockmäßige ist völlig zerstört, der funktionsausdrückende
Gliederstiel ist völlig über den Körperstil Herr geworden. In gleichem
Sinne kann die stabartige Schlankheit des Körpers, der Beine, ihr
weites Auseinanderstehen, die sich isolierende Kugligkeit des kleinen
Kopfes wirken. Auch die der Form des Kopfes sich in kleinen
Büscheln entwindenden Haare, die leicht zur Nase hin zusammen-
geschobenen Augenbrauen — ein Ausdruck momentanen Entschlusses —
weisen auf den Weg zum Barock.
'm Hermes (London) ist auch ein Stehen in momentan ausgeübter
Tätigkeit gewählt, sandalenbindend. Ein Grundmotiv barocker Plastik
erscheint, den Körper vornüberzulegen, er wird noch nicht frei in der
Luft gehalten, sondern auf das hochgestellte rechte Bein gelegt. Auch
Treten durch ein Ziel zu bringen gilt, so daß die einseitige Geschick-
lichkeit oder die bloße Freiluftemotion der Zweck der Übung ist. Aller
englischer Sport, alle Gewinnspiele werden kaum im klassisch-plasti-
schen Sinne erzieherisch wirken. Wirklich plastisch produktiv wird
immer nur eine Zeit sein, wo die Körperkultur ein Bestand des ganzen
Lebens geworden ist, wo denn auch die Plastik nicht wie eine Vor-
stellung bei einem Turnerfest genossen wird, sondern als die dauernde
Umgebung, in der allein man zu leben vermag. In dieser Zeit ist die
klassische Plastik dekorativ, ohne sich an ein übergeordnetes Ganzes,
eine Architektur anlehnen zu müssen, weil sie rein für sich eine
schöne Dekoration des Daseins bildet, eine Atmosphäre, in der man
'ebt. Klassische Plastik ist frei dekorativ.
m Einen Übergang zur barocken Plastik, einen klassisch-barocken
Ubergangsstil, haben wir in einigen Statuen, die unter dem Namen
des Lysipp zusammengefaßt werden.
In der berühmten Statue des Schabers lassen sich zwei Tendenzen
konstatieren, einmal das Bedürfnis einer unplastisch empfindenden Zeit
nach dem Entspannten und Weichen, es ist ein Auftreten mit beiden
Sohlen, infolgedessen ein lässiges Stehen wie beim »Rührt-euch«,
und zugleich sind die Muskeln unbestimmter gebildet, weicher; daher
zusammen mit der Schlankheit der Glieder und des Körpers der Ein-
druck des Eleganten und Lässigen. Der Oberkörper läßt sich auch
gehen, er fällt leicht vornüber, statt den vorgestreckten Armen durch
Rückbeugung das Gegengewicht zu halten, eine typisch lässige Haltung
junger Elegants, eine affektierte Hinfälligkeit. In diesem Vorstrecken
der Arme zum Motiv des Schabens liegt ein aktuelles Funktionieren,
eine Tätigkeit anstatt des bloßen Sich-Verhaltens der klassischen Plastik.
Ohne Zweifel, daß diese Plastik infolgedessen viel lebendiger zur
Nachahmung reizt als die klassische, aber auch formzerstörend wirkt.
Y°m Standpunkt der Gesamtform ist dieses Vorstoßen der Arme häß-
lich, das Blockmäßige ist völlig zerstört, der funktionsausdrückende
Gliederstiel ist völlig über den Körperstil Herr geworden. In gleichem
Sinne kann die stabartige Schlankheit des Körpers, der Beine, ihr
weites Auseinanderstehen, die sich isolierende Kugligkeit des kleinen
Kopfes wirken. Auch die der Form des Kopfes sich in kleinen
Büscheln entwindenden Haare, die leicht zur Nase hin zusammen-
geschobenen Augenbrauen — ein Ausdruck momentanen Entschlusses —
weisen auf den Weg zum Barock.
'm Hermes (London) ist auch ein Stehen in momentan ausgeübter
Tätigkeit gewählt, sandalenbindend. Ein Grundmotiv barocker Plastik
erscheint, den Körper vornüberzulegen, er wird noch nicht frei in der
Luft gehalten, sondern auf das hochgestellte rechte Bein gelegt. Auch