DER ÄSTHETISCHE GEGENSTAND. 89
Gliederung der Sonate oder der Symphonie1) in ihre vier »Sätze«, in
die »musikalischen Phrasen« u. s. w. bis herab zu den einzelnen Tönen.
Unsere Melodie »Heil dir im Siegerkranz —« zerfällt so zunächst
in die beiden großen Hälften, deren erste sich bis »Heil Kaiser dir«
erstreckt und sich weiter (den einzelnen Versen entsprechend) in drei
Phrasen gliedert, die sich dann nur noch in »die Töne« zerlegen lassen.
Ein Ton ist dabei ein gewisser Typus und zwar der einfachste
aller musikalischen Typen, so wie in der räumlichen Sphäre die gerade
Linie beziehungsweise die »Strecke«. Und diese Einzeltöne sind also
im allgemeinen die niedrigsten sinngemäßen Einheiten, doch machen,
wie mir scheint, »Triller« und eine Note mit »Vorschlag« und der-
gleichen eine Ausnahme hiervon, insofern hier den einzelnen darin
enthaltenen Tönen sinngemäß keine Selbständigkeit zukommt. Aus-
drücke wie »Auftakt« wieder haben beide Arten von Einheiten im Auge
beziehungsweise sind Typen eigener Art: der Auftakt gehört mit den
folgenden Noten zusammen zu einer sinngemäßen Einheit und zwar
zu der ersten Phrase, während er rhythmisch dem »ersten Takt« (!)
voraufgeht (!). Das Auszählen eines solchen Auftaktes ist ein dilettanti-
sches Hilfsmittel, das den Forderungen des Gegenstandes direkt wider-
spricht.
Wie diese beiden Gliederungen überhaupt wesentlich unabhängig
verlaufen, wird in unserem Beispiel an dem zweiten Takt leicht klar,
dessen erster Ton eine kleinste sinngemäße Einheit ist, während er
rhythmisch in zwei Hälften zerfällt. Wir erkennen die Gliederungen
ohne weiteres als wesentliche Merkmale; das ungegliederte Ganze ist
durchaus nicht in Identifikation zu bringen mit dem gemeinten ästheti-
schen Gegenstand, der uns als »die Melodie« vorschwebte. Etwas
anderes ist es, daß wir auf den Gegenstand gerichtet sein können,
ohne daß die Gliederung (klar) zur Abhebung kommt, doch das ge-
hört zur Phänomenologie der psychischen Seite. Dem Gegenstand
kommt die Gliederung wesentlich zu.
Was nun den Aufbau aus »Seiten« anbetrifft, so kommen zu-
nächst jene schon an dem Einzelton unterschiedenen vier Merkmale in
Betracht, die hier auftreten als Tonhöhenverlauf (auf die Tonika be-
zogen!)2), Intensitätsverlauf, Klangfarbenverlauf und Dauer. Daß von
einem substantiellen Verhältnis hier nicht gesprochen werden kann,
sahen wir schon, aber natürlich besteht ein für die jeweiligen Seiten
') Auch in welchem Sinne Symphonie und Sonate »Formen« heißen für die
Verarbeitung eines »Themas«, das darin seine »Durchführung« erfährt, brauchen
wir hier nicht zu erörtern, da wir uns mit dem einfachsten Falle einer schlichten
Melodie begnügen können.
2) Näheres siehe den folgenden Abschnitt.
Gliederung der Sonate oder der Symphonie1) in ihre vier »Sätze«, in
die »musikalischen Phrasen« u. s. w. bis herab zu den einzelnen Tönen.
Unsere Melodie »Heil dir im Siegerkranz —« zerfällt so zunächst
in die beiden großen Hälften, deren erste sich bis »Heil Kaiser dir«
erstreckt und sich weiter (den einzelnen Versen entsprechend) in drei
Phrasen gliedert, die sich dann nur noch in »die Töne« zerlegen lassen.
Ein Ton ist dabei ein gewisser Typus und zwar der einfachste
aller musikalischen Typen, so wie in der räumlichen Sphäre die gerade
Linie beziehungsweise die »Strecke«. Und diese Einzeltöne sind also
im allgemeinen die niedrigsten sinngemäßen Einheiten, doch machen,
wie mir scheint, »Triller« und eine Note mit »Vorschlag« und der-
gleichen eine Ausnahme hiervon, insofern hier den einzelnen darin
enthaltenen Tönen sinngemäß keine Selbständigkeit zukommt. Aus-
drücke wie »Auftakt« wieder haben beide Arten von Einheiten im Auge
beziehungsweise sind Typen eigener Art: der Auftakt gehört mit den
folgenden Noten zusammen zu einer sinngemäßen Einheit und zwar
zu der ersten Phrase, während er rhythmisch dem »ersten Takt« (!)
voraufgeht (!). Das Auszählen eines solchen Auftaktes ist ein dilettanti-
sches Hilfsmittel, das den Forderungen des Gegenstandes direkt wider-
spricht.
Wie diese beiden Gliederungen überhaupt wesentlich unabhängig
verlaufen, wird in unserem Beispiel an dem zweiten Takt leicht klar,
dessen erster Ton eine kleinste sinngemäße Einheit ist, während er
rhythmisch in zwei Hälften zerfällt. Wir erkennen die Gliederungen
ohne weiteres als wesentliche Merkmale; das ungegliederte Ganze ist
durchaus nicht in Identifikation zu bringen mit dem gemeinten ästheti-
schen Gegenstand, der uns als »die Melodie« vorschwebte. Etwas
anderes ist es, daß wir auf den Gegenstand gerichtet sein können,
ohne daß die Gliederung (klar) zur Abhebung kommt, doch das ge-
hört zur Phänomenologie der psychischen Seite. Dem Gegenstand
kommt die Gliederung wesentlich zu.
Was nun den Aufbau aus »Seiten« anbetrifft, so kommen zu-
nächst jene schon an dem Einzelton unterschiedenen vier Merkmale in
Betracht, die hier auftreten als Tonhöhenverlauf (auf die Tonika be-
zogen!)2), Intensitätsverlauf, Klangfarbenverlauf und Dauer. Daß von
einem substantiellen Verhältnis hier nicht gesprochen werden kann,
sahen wir schon, aber natürlich besteht ein für die jeweiligen Seiten
') Auch in welchem Sinne Symphonie und Sonate »Formen« heißen für die
Verarbeitung eines »Themas«, das darin seine »Durchführung« erfährt, brauchen
wir hier nicht zu erörtern, da wir uns mit dem einfachsten Falle einer schlichten
Melodie begnügen können.
2) Näheres siehe den folgenden Abschnitt.