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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 3.1908

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Spitzer, Hugo: Der Satz des Epicharmos und seine Erklärungen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3433#0182
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HUGO SPITZER.

Wesen erscheint, und er ist deshalb von Philosophiehistorikern mit
dem großen Ahnherrn der eleatischen Schule, Xenophanes, verglichen
worden, der zur Erläuterung des religiösen Anthropomorphismus sich
ähnlicher Wendungen bediente.

0ao(j.acTÖv oüosv lott, |*s TaüS1' outiu "k&fsw
Kai ävoävstv a&xoTacv aütoü?, xal Soxetv
y.aXä); rcstpuv.svar v.a.1 -fäp 6 ttücov uuvi
xäXXiaTo; st[j.2v tpaivstat, v.od ßoü? ßot,
ovo? 8s ovo) «äXXtato?, ü; 8s fit.

So lauten die eigenen Worte des Denkers und Poeten, wie sie uns
Diogenes Laertius im dritten Buche, gelegentlich der Darstellung der
Beziehungen Piatos zu Epicharmus, aufbewahrt hat. Und der Koer
ist mit dieser Auffassung nicht allein geblieben. Stillschweigend oder
ausdrücklich haben viele andere sich dieselbe zu eigen gemacht; ja,
fast jeder, der an die Frage herantrat, kam zu verwandten Ansichten,
wenn auch nicht jeder in der Fassung des Gedankens so auffallend
an den griechischen Komiker erinnerte, wie Voltaire, der in der Tat
die nämliche Idee beinahe in die nämliche Form kleidete, da er, die
metaphysische Schönheitstheorien verspottend, schrieb: »Demandez
ä un crapaud ce que c'est que la beaute, le grand beau, le ,to kalon',
iL vous repondra que c'est sa crapaude avec deux gros yeux ronds sor-
tant de sa petite Ute, une gueule large et plate, un venire jaune, un
dos brun. Interrogez un negre de Ouinee; le beau est pour lui une
peau nolre, huileuse, des yeux enfonces, un nez epate. Interrogez le
dlable; 11 vous dlra que le beau est une palre de cornes, quatre grif-
fes, et une queue.« Wenn jedoch der allgemeine Konsensus der Mei-
nungen in diesem Stücke Gewicht hat, wenn die berühmten Verse
des Schöpfers der dorisch-sizilischen Komödie und die geistreichen
Sätze in Voltaires y>Dictionnaire philosophique« richtig den Sachverhalt
treffen, wenn jede Wesensgattung den eigenen Typus zum Gipfel-
punkte des Schönen erhebt, wie in aller Welt kann dann eine brünette
Nation in blonden Mädchen und Frauen das Schönheitsideal verwirk-
licht sehen?!

Der »Rassentheoretiker« antwortet hierauf, die ästhetische Schätzung
wurzle in dem Bewußtsein von der Überlegenheit der blonden Stämme.
Man erkenne oder »fühle« zum mindesten, daß der blonde Mensch
nach jeder Richtung hin die höhere Rasse repräsentiert, und das
ästhetische Urteil, welches jenem Verfahren des Cervantes und anderer
Dichter zu Grunde liegt, sei eben der Ausdruck dieses Gefühls. —
Das klingt recht hübsch; soll es aber die ganze Antwort auf die
Frage, die ganze Erklärung des merkwürdigen literarhistorischen Fak-
tums sein, so wäre man nicht klüger als am Anfange: das ästhetische

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