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ERLÄUTERUNGEN ZU DEN ABBILDUNGEN.
Architektur darstellt. Der Hintergrund scheint sich überhaupt in unbestimmte Ferne
zu verlieren. Der illusionistisch vorgetäuschte Raum, das Unplastische des Leeren
und Luftigen wird wichtiger als feste Formen und Bewegungen der Körper. Selbst
die Figuren vorn in der ersten Raumschicht ordnen sich räumlich im Rundkreis und
lassen die Mitte frei. — Panoramatisch darstellendes Relief, da die Figur des das
Haupt präsentierenden Mannes fast freifigürlich gearbeitet ist.
Fig. 6: Donatello, Kreuzabnahme. Kanzelrelief in S. Lorenzo, Florenz. Aus
der spätesten Zeit des Künstlers. Dieselbe Steigerung in der Leidenschaft des Aus-
drucks, der Unklarheit der Formen und Häufung von Menschen und Formen nach
Ghibertis und dem Salome-Relief, wie in den Reliefs Giovanni Pisanos nach denen
Niccolos. Schwer herauszuerkennen sind als Grundpfeiler der Darstellung der Leich-
nam Christi auf dem Schoß der Mutter, die mit weitausgreifendem Arm den Kopf
stützt, während Joseph von Arimathia den Körper bei den Knieen gefaßt hält, und
zwei wie rasend klagende Frauen. Abgesehen war es auf einen beunruhigenden,
quälenden Mengeneindruck und wirre fließende Falten, die durcheinanderquellen wie
das Geschrei der Weiber durcheinandertönt. Die Darstellung ist durchaus illusionistisch
in der Art eines Fernbildes auf impressionistischen Gemälden, ausschnittmäßig mit
kühnen und zufällig wirkenden Überschneidungen an dem oberen und den seitlichen
Bildrändern, mit geringer und wenig auffallender Scheidung der Distanzen sowohl
der Formenschichten jeder Figur wie der Figuren voneinander und mit unklarer,
verschwimmender Ansicht der Gegenstände. Der Eindruck einer unübersehbaren
Menge ist unabweislich. — Impressionistisch darstellendes Relief.
Das trotz klassizistischen, gotisierenden Formen und Gebärden naturalistisch
nachbildende Relief Ghibertis, die klassisch abgewogene Raumdarstellung des
Salome-Reliefs und das seelisch wie optisch beunruhigende, auf Moment- und Ge-
samtblick ausgehende Kanzelrelief Donatellos bezeichnen drei Stufen der Kunst-
entwickelung der Renaissance in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die alle im
Gegensatz zum plastisch-dekorativen und architektonischen Relief des Mittelalters
auf freie Darstellungen abzielen.
ERLÄUTERUNGEN ZU DEN ABBILDUNGEN.
Architektur darstellt. Der Hintergrund scheint sich überhaupt in unbestimmte Ferne
zu verlieren. Der illusionistisch vorgetäuschte Raum, das Unplastische des Leeren
und Luftigen wird wichtiger als feste Formen und Bewegungen der Körper. Selbst
die Figuren vorn in der ersten Raumschicht ordnen sich räumlich im Rundkreis und
lassen die Mitte frei. — Panoramatisch darstellendes Relief, da die Figur des das
Haupt präsentierenden Mannes fast freifigürlich gearbeitet ist.
Fig. 6: Donatello, Kreuzabnahme. Kanzelrelief in S. Lorenzo, Florenz. Aus
der spätesten Zeit des Künstlers. Dieselbe Steigerung in der Leidenschaft des Aus-
drucks, der Unklarheit der Formen und Häufung von Menschen und Formen nach
Ghibertis und dem Salome-Relief, wie in den Reliefs Giovanni Pisanos nach denen
Niccolos. Schwer herauszuerkennen sind als Grundpfeiler der Darstellung der Leich-
nam Christi auf dem Schoß der Mutter, die mit weitausgreifendem Arm den Kopf
stützt, während Joseph von Arimathia den Körper bei den Knieen gefaßt hält, und
zwei wie rasend klagende Frauen. Abgesehen war es auf einen beunruhigenden,
quälenden Mengeneindruck und wirre fließende Falten, die durcheinanderquellen wie
das Geschrei der Weiber durcheinandertönt. Die Darstellung ist durchaus illusionistisch
in der Art eines Fernbildes auf impressionistischen Gemälden, ausschnittmäßig mit
kühnen und zufällig wirkenden Überschneidungen an dem oberen und den seitlichen
Bildrändern, mit geringer und wenig auffallender Scheidung der Distanzen sowohl
der Formenschichten jeder Figur wie der Figuren voneinander und mit unklarer,
verschwimmender Ansicht der Gegenstände. Der Eindruck einer unübersehbaren
Menge ist unabweislich. — Impressionistisch darstellendes Relief.
Das trotz klassizistischen, gotisierenden Formen und Gebärden naturalistisch
nachbildende Relief Ghibertis, die klassisch abgewogene Raumdarstellung des
Salome-Reliefs und das seelisch wie optisch beunruhigende, auf Moment- und Ge-
samtblick ausgehende Kanzelrelief Donatellos bezeichnen drei Stufen der Kunst-
entwickelung der Renaissance in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die alle im
Gegensatz zum plastisch-dekorativen und architektonischen Relief des Mittelalters
auf freie Darstellungen abzielen.