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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 3.1908

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Foth, Max: Die Bedeutung der Photographie für die Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.3433#0452
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BEMERKUNGEN.

keineswegs zu den konstanten Faktoren gerechnet werden, die auf die Entwicke-
lung der Malerei einwirken. Dergleichen beständige Einwirkungen kann diese nur
von objektiven Tatsachen erfahren, von Tatsachen, die, völlig unabhängig von
subjektiven Eigenheiten der Künstlernatur, etwa den Charakter der betreffenden
Kunst unter allen Umständen modifizieren oder ihren Wirkungskreis einschränken.
Die Rolle eines solchen Faktors dürfte meines Erachtens eine der neuesten Er-
rungenschaften der Photographie übernehmen. Das langumstrittene Problem der
Photographie in natürlichen Farben ist, wenigstens grundsätzlich, gelöst. Nachdem
schon längere Zeit, namentlich zu Reproduktionszwecken, das indirekte Verfahren
der Dreifarbenphotographie in Gebrauch war, das mit drei getrennten Aufnahmen
in den Grundfarben Gelb, Blau, Rot, oder besser, deren Komplementärfarben Violett,
Orange, Grün, arbeitete: ist nunmehr auch das direkte Verfahren ausgearbeitet
worden, mit dessen Hilfe die Farbenwerte des Aufnahmeobjektes unmittelbar und
durch eine einzige Platte nachgeahmt werden. Gleichviel ob in der Folge sich das
Lumieresche Prinzip des Stärkemehl-Rasters mehr bewähren sollte, oder das Neu-
haußsche Ausbleichverfahren, oder endlich eine Ergänzung des ersten durch das
zweite (die Lumieresche Methode ist nur für in der Durchsicht zu betrachtende
Glasplatten anwendbar), jedenfalls handelt es sich jetzt bloß noch um die Vervoll-
kommnung der Wege und Mittel; diese selbst sind uns in die Hand gegeben, und
jene Vervollkommnung dürfte nicht lange auf sich warten lassen, bei dem Stande
unserer modernen Chemie und Technik.

Dies Auftreten der Farbenphotographie ändert sehr wesentlich das Verhältnis
der Photographie zur Malerei. Die Arbeitsbedingungen und Arbeitsmittel auf
beiden Gebieten werden dadurch fast dieselben. Während ehedem höchstens von
einem Wettbewerb der Photographie mit den Radierungen oder Kreidezeichnungen
die Rede sein konnte, erwächst nun in der farbigen Naturaufnahme eine Neben-
buhlerin auch für die Malerei. Während früher der Maler, auch wenn er Formen
und Anordnung der Photographie entlieh, noch immer an selbständiger Arbeit in
der Wiedergabe der Farben genug zu leisten hatte, bleibt ihm von nun an auch in
dieser Richtung fast alles erspart: er hat die Möglichkeit, nicht nur mehr Kontur
und Lichtwerte zu »kopieren«, sondern auch fast alles das, was er sonst nur durch
mühsames Beobachten, Vergleichen und Suchen auf Studienblättern festhalten
konnte. Ich sage: fast alles, weil gewisse Forderungen, z. B. Wiedergabe des oben
erwähnten subjektiven Kontrastes, von der Photographie aus naheliegenden, nicht
zn beseitigenden Gründen niemals erfüllt werden können. Da jedoch die subjek-
tiven Kontrastfarben bloß bei intensiver Beleuchtung oder starker Sättigung der
Farben bemerkbar werden, so lassen sich weite Gebiete landschaftlicher und
sonstiger Sujets denken, auf denen die »Beobachtungstreue« des photographischen
Apparates derjenigen des Farbenkünstlers tatsächlich in allem überlegen oder min-
destens ebenbürtig sein dürfte. Hieraus folgt nun zwingend, daß die farbige Photo-
graphie zwar nie die Malerei überhaupt, nie die Malerei als Kunst ersetzen kann,
wohl aber gewisse Richtungen derselben, d. h. sie kann die Malerei nur in dem
Falle ausschalten und überflüssig machen, sofern diese grundsätzlich sich darauf
beschränkt, was die Farbenphotographie in hohem Grade leisten kann, oder genauer,
ohne Frage in kurzer Zeit wird leisten können — nämlich darauf, genau und
sklavisch die Natur nachzuahmen, alle »Ideen« und »Vorstellungen« auszuschalten.
Sollte man geltend machen, daß die Schärfe und die Details der Photographie
durch zu starke Betonung der Einzelformen es niemals zu demjenigen Gesamt-
eindrucke, zu den eigentümlichen Reizen kommen lassen würden, die uns z. B-
impressionistische Bilder zu bieten vermögen, so ist darauf zu entgegnen, daß
 
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