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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 3.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.3433#0455
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BESPRECHUNGEN.

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Ausführungen über »wissenschaftliche und ästhetische Naturbetrachtung«:. Zugleich
gibt sie ihnen eine sozusagen historische Distanz, die sie jeder Diskussion mit den
Waffen des Tageskampfes entrückt.

Der Gedankengang Nelsons ist etwa folgender. Der Sphärengesang, den ein
glückliches Zeitalter ästhetischer Weltansicht einst hörte, ist verklungen. Die Natur,
die den Griechen noch ein organisches Kunstwerk war, ist durch die Wissenschaft
entgöttert zum mechanischen Wunderwerk geworden, in dem nicht mehr die leben-
dige Schönheit, sondern das Gesetz zur Bewunderung zwingt. Nur noch in Meta-
phern und lyrischen Gefühlsergüssen führt die ästhetische Auffassung des Natur-
organismus ein verschämtes Dasein. Doch diese voreilige Degradierung der ästhe-
■schen Naturbetrachtung wird durch die von Kant eingeleitete Einsicht in die relative
esensart wissenschaftlicher Erkenntnis wieder revidiert und zurückgenommen.
as Wissen um die Beschränktheit und Unvollendbarkeit unserer menschlichen Er-
enntnis macht uns von neuem reif für die ästhetische Beurteilung des Naturbildes.
ne Resignation und ohne dualistische Beschwerden erkennen wir nun das Zu-
ammengehörigkeits- und Ergänzungsverhältnis beider Arten von Naturbetrachtung,
cht in unsauberer Verquickung, sondern in reinlichem Nebeneinander zeigen sie
s'ch unserer gereiften Erkenntnis.

Für die wissenschaftliche Naturbetrachtung hat das einzelne Naturobjekt nur
sofern Interesse, als es, aus Anschauung und Begriff zum Gegenstand der Er-
enntnis geworden, das allgemeine Gesetz verkörpert. Das Wesentliche der ästhe-
cnen Weltanschauung besteht dagegen im Stehenbleiben bei der Anschauung, in
er Würdigung des Einzeldings als selbständige, aus der mechanischen Verkettung
es Ganzen herausgelöste Erscheinung. Wir kommen also bei der ästhetischen
. trachtung dem »Ding an sich« nahe. Dem »Ding an sich« können wir aber

mer nur durch eine Idee nahekommen. Denn Idee ist allgemein »eine Vorstel-
lung -'^~™

Die

die

g> deren Gegenstand in keiner bestimmten Erkenntnis angetroffen werden kann«,
se Idee kann nun logischer und ästhetischer Art sein. Indem wir die Schranken,

an unserer Erkenntnis haften, aufgehoben denken, kommen wir dem »Ding an
durch die logische Idee nahe. Indem wir bei der Anschauung stehen bleiben
nd jeder begrifflichen Fassung ausweichen, bekommen wir dagegen eine anschau-
c e Vorstellung des »Ding an sich«. Begriffe, die keine anschauliche Bestimmung
u assen, sind also logische Ideen, anschauliche Vorstellungen, die keine begriffliche
estirnmung zulassen, dagegen ästhetische Ideen.

Die Welt ist nur solange gesetzmäßig, als wir einen archimedischen Punkt
a er», von dem aus wir sie betrachten. Dieser archimedische Punkt aber ist, wo
lr ihn auch nehmen, immer und ewig zufällig und willkürlich. Diese Zufälligkeit
acnt die Gesetzmäßigkeit des Weltganzen zu einer Fiktion und schafft Raum für
le ästhetische Naturbetrachtung, die bei der Anschauung des zusammenhanglosen
vom Begriff entkleideten Einzelobjektes stehenbleibend zur Anerkennung dieser
sprünghchen Zufälligkeit genötigt ist. Doch dieses anschauende Innewerden des

Objekts

m seiner ursprünglichen Zufälligkeit ist nur eine notwendige Bedingung,

nicht h ».o^.u...6..w.v... *~u.u...a— — — - ---------------o---------o—01

" aas Ganze des ästhetischen Aktes. »Der Gehalt der Anschauung muß zur
^ eit eines Ganzen zusammenstimmen, um ästhetische Bedeutung zu gewinnen.
<j.as Scnöne muß die einheitliche Form eines individuellen Ganzen haben, durch
jj^es sich isoliert aus dem unendlichen Flusse der Erscheinungen. In dieser Form
deg der wahre Zauber des Schönen. Dieser Zauber beruht darauf, daß die Dinge
ni "^ Bedürfnis unserer Vernunft nach Einheit da entgegenkommen, wo wir es
sich f.1^31^11 konnten; daß sie zu diesem Bedürfnis zusammenstimmen, ohne daß
Qie Notwendigkeit eines solchen Zusammenstimmens einsehen ließe.« Und
 
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