BESPRECHUNGEN.
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nicht genügend gewürdigt, obgleich ich mir nicht die Schwierigkeiten verhehle, die
em Thema in sich birgt, das noch so sehr dem Streite des Tages ausgesetzt ist.
Doch — wie gesagt — das sind nur kleine Ausstellungen, die den Wert der
vorliegenden Arbeit nicht herabsetzen sollen. Und ich will nur hoffen, daß dem
werk die Aufnahme seitens des Publikums beschieden sein wird, die es verdient!
Prag.
__________ Emil Un'tz.
Wilhelm Worringer, Lucas Cranach. München, R. Piper & Co. gr. 8°.
128 S. 1908.
Herr Worringer, der mit diesem Buche als Kunstschriftsteller debütiert, hat sich
einen im ganzen ehrenvollen Eingang gesichert. Es kann ihm nicht zum Vorwurf
gemacht werden, daß er auch nur versucht hat, das Cranach-Problem der gelehrten
assung einer glücklichen Lösung näher zu bringen; er hat sich vielmehr auf eine
otte und eigentlich höchst amüsante Art um diesen Rattenkönig von Zuweisungs-
ragen herumgedrückt, denn sein Ehrgeiz stand dahin, mit positiven Dingen ein sehr
eredtes und fesselndes Buch zu machen, das kraft seines Stiles selbst den Cra-
ach-Kenner interessieren muß, nicht aber Hypothesen in die Welt zu setzen, die
sich der schriftstellerischen Behandlung umsomehr entziehen, je höher ihr Anspruch
geht als richtig zu gelten. Er gibt also einige kecke und nicht ganz gewöhnliche
Anschauungen über das Zeitalter der Reformation, die ich gern akzeptiere, und
nber Lucas Cranach, die, im Ausdruck etwas heftig pointiert und darum nicht ganz
lebevoll, mich ein wenig skeptischer lassen. Herr Worringer zeigt die gewiß nicht
Unsympathische Eigenheit aller jungen Debütanten, daß er sich ins Feuer redet und
vom eigenen Worte weiter forttragen läßt, als der Gedanke ursprünglich vorsah.
tr fügt Satz auf Satz, um immer noch klarer zu machen, was er zu sagen hat
JT denn selbstverständlich ist es höchst wichtig, ein Widerspruch gegen Land-
aufigeSj eine zerstöning traditioneller Legenden — und am Ende findet er sich in
einer Gegend, von der ihm bei Beginn der Attacke noch nicht das mindeste
schwante. Es ist nicht gut, Lucas Cranach mit Albrecht Dürer so lange zu kon-
rontieren, bis er von den vielen Püffen, die es dabei notwendig für ihn setzt, ein
schiefes Gesicht bekommt. Unser guter Cranach verträgt eine isolierte Behandlung
s^nr schön, denn er ist als Philister, Manierist und naiver Künstler ganz und gar
°hne gleichen und trägt sein Charakteristikum so klar an der Stirn, daß es ohne
Vergleichende Augenschärfung abzulesen ist. Vielleicht wäre es doch von Vorteil
gewesen, die Aufmerksamkeit einigen stilkritischen Aufgaben zuzuwenden. Selbst
Ut"er den Abbildungen dieses Buches gibt es unlösbare Widersprüche und für den,
er diese Unvereinbarkeiten merkt, ist es nicht ganz ohne Komik, zu sehen, wie
^r arme Cranach dort, wo er echt ist, gezaust wird, um mit mutmaßlich falschen
erken rehabilitiert zu werden. Herr Worringer mag die zünftige Kunsthistorik
"•cht sehr lieben; er wandelt lieber auf Burckhardts Pfaden. So sehr er in dieser
Wahl
zu beglückwünschen und zu ermutigen ist, so sehr ist ihm zu raten, dem
eist, der ihn zu Burckhardt trieb, nicht bedingungslos die Vorhand zu lassen.
penn dieser Geist, Genius und Verführer aller begabten jungen Leute, ist ein
reund der schnellen und neuartigen Gesichtspunkte, der großen, kühnen, stürzen-
eri Ideen, ein Überreder zu allem Leichten, Luftigen und Glänzenden, und ein
gründlicher Verächter der Materie. Schnell, stolz und immer überlegen, fliegt er
urch Zeit und Raum, und ein schmales Körnchen Wahrheit in seinen Fittichen ist
seh" gem!g' ein großes, schillerndes Ideengebäude darauf zu bauen. Dieser Geist
Webt immer in der Gefahr, zu einem Geist des Schwindels und der Phrase zu
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nicht genügend gewürdigt, obgleich ich mir nicht die Schwierigkeiten verhehle, die
em Thema in sich birgt, das noch so sehr dem Streite des Tages ausgesetzt ist.
Doch — wie gesagt — das sind nur kleine Ausstellungen, die den Wert der
vorliegenden Arbeit nicht herabsetzen sollen. Und ich will nur hoffen, daß dem
werk die Aufnahme seitens des Publikums beschieden sein wird, die es verdient!
Prag.
__________ Emil Un'tz.
Wilhelm Worringer, Lucas Cranach. München, R. Piper & Co. gr. 8°.
128 S. 1908.
Herr Worringer, der mit diesem Buche als Kunstschriftsteller debütiert, hat sich
einen im ganzen ehrenvollen Eingang gesichert. Es kann ihm nicht zum Vorwurf
gemacht werden, daß er auch nur versucht hat, das Cranach-Problem der gelehrten
assung einer glücklichen Lösung näher zu bringen; er hat sich vielmehr auf eine
otte und eigentlich höchst amüsante Art um diesen Rattenkönig von Zuweisungs-
ragen herumgedrückt, denn sein Ehrgeiz stand dahin, mit positiven Dingen ein sehr
eredtes und fesselndes Buch zu machen, das kraft seines Stiles selbst den Cra-
ach-Kenner interessieren muß, nicht aber Hypothesen in die Welt zu setzen, die
sich der schriftstellerischen Behandlung umsomehr entziehen, je höher ihr Anspruch
geht als richtig zu gelten. Er gibt also einige kecke und nicht ganz gewöhnliche
Anschauungen über das Zeitalter der Reformation, die ich gern akzeptiere, und
nber Lucas Cranach, die, im Ausdruck etwas heftig pointiert und darum nicht ganz
lebevoll, mich ein wenig skeptischer lassen. Herr Worringer zeigt die gewiß nicht
Unsympathische Eigenheit aller jungen Debütanten, daß er sich ins Feuer redet und
vom eigenen Worte weiter forttragen läßt, als der Gedanke ursprünglich vorsah.
tr fügt Satz auf Satz, um immer noch klarer zu machen, was er zu sagen hat
JT denn selbstverständlich ist es höchst wichtig, ein Widerspruch gegen Land-
aufigeSj eine zerstöning traditioneller Legenden — und am Ende findet er sich in
einer Gegend, von der ihm bei Beginn der Attacke noch nicht das mindeste
schwante. Es ist nicht gut, Lucas Cranach mit Albrecht Dürer so lange zu kon-
rontieren, bis er von den vielen Püffen, die es dabei notwendig für ihn setzt, ein
schiefes Gesicht bekommt. Unser guter Cranach verträgt eine isolierte Behandlung
s^nr schön, denn er ist als Philister, Manierist und naiver Künstler ganz und gar
°hne gleichen und trägt sein Charakteristikum so klar an der Stirn, daß es ohne
Vergleichende Augenschärfung abzulesen ist. Vielleicht wäre es doch von Vorteil
gewesen, die Aufmerksamkeit einigen stilkritischen Aufgaben zuzuwenden. Selbst
Ut"er den Abbildungen dieses Buches gibt es unlösbare Widersprüche und für den,
er diese Unvereinbarkeiten merkt, ist es nicht ganz ohne Komik, zu sehen, wie
^r arme Cranach dort, wo er echt ist, gezaust wird, um mit mutmaßlich falschen
erken rehabilitiert zu werden. Herr Worringer mag die zünftige Kunsthistorik
"•cht sehr lieben; er wandelt lieber auf Burckhardts Pfaden. So sehr er in dieser
Wahl
zu beglückwünschen und zu ermutigen ist, so sehr ist ihm zu raten, dem
eist, der ihn zu Burckhardt trieb, nicht bedingungslos die Vorhand zu lassen.
penn dieser Geist, Genius und Verführer aller begabten jungen Leute, ist ein
reund der schnellen und neuartigen Gesichtspunkte, der großen, kühnen, stürzen-
eri Ideen, ein Überreder zu allem Leichten, Luftigen und Glänzenden, und ein
gründlicher Verächter der Materie. Schnell, stolz und immer überlegen, fliegt er
urch Zeit und Raum, und ein schmales Körnchen Wahrheit in seinen Fittichen ist
seh" gem!g' ein großes, schillerndes Ideengebäude darauf zu bauen. Dieser Geist
Webt immer in der Gefahr, zu einem Geist des Schwindels und der Phrase zu