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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 3.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.3433#0468
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BESPRECHUNGEN.

entarten; soll er mit seiner sprudelnden Ideenfülle wahrhaftig bleiben und wirklich
fruchtbar werden, dann muß er Staub schlucken und Stoff fressen, denn die Arbeit
des Verdauens ist eine Art Kontrolle, ob sich Stoff und Idee organisch verbinden
oder nicht. Jakob Burckhardt wußte das; er versank im Tatsachengrund, um mit
einem mächtigeren Gefühl von Freiheit und Würde emporzutauchen. Seine Adepten
sollten sich ihn vor Augen halten und intensiver als die Reize seines Stiles die fast
gewaltsam methodische Zucht beobachten, mit der er seinen Geist schwer machte,
übte und läuterte.

Breslau. __________ Konrad Müller-Kaboth.

Robert Mielke, Das deutsche Dorf. Mit 51 Abbildungen im Text. (Aus
Natur und Geisteswelt. B. G. Teubner, Leipzig 1907. 192. Bändchen.)

Ein neuer Band der verdienstvollen Teubnerschen Sammlung wissenschaftlich-
gemeinverständlicher Darstellungen gibt eine kurze abgerundete Monographie des
deutschen Dorfes, die den Forderungen einer derartigen Publikation in glücklichster
Weise nachkommt. Von dem selbständigen Wert des Buches überzeugt ein Blick
in das beigegebene Literaturverzeichnis, das die von den verschiedensten Gebieten
ausgehenden und weitzerstreuten wenigen Vorarbeiten nennt, an die Mielke an-
knüpfen konnte. Das Buch ist mit viel Liebe geschrieben und in seiner Schilde-
rung deutscher Dorfbilder von erfreulicher Anschaulichkeit. Von der üblichen Senti-
mentalität in der Auffassung dörfischer Verhältnisse hält sich Mielke dabei fern.

Mit sicherem historischen Blick und Verständnis der entwickelungsgeschicht-
lichen Notwendigkeiten gibt Mielke zunächst eine Skizze der wirtschaftlichen, kul-
turellen und politischen Schicksale, die das deutsche Dorf von seinen frühen und
starken Anfängen an bis zu seiner heutigen beinahe anachronistisch anmutenden
Verkümmertheit durchgemacht hat. Dann geht er den verschiedenen Formen nach,
die stammesartliche und geographische Eigentümlichkeiten dem Dorfbilde in den
weiten deutschen Landen gegeben haben. Geschickt ausgewählte Photographien
steigern den intimen Reiz dieser sympathischen, von tiefem Vertrautsein mit der
deutschen Landschaft zeugenden Schilderungen. Eine nur in großen andeutenden
Linien entworfene Zeichnung des dörfischen Kulturorganismus und seiner Auße-
rungsformen beschließt das anspruchslose und erfreuliche kleine Buch.

München.

__________ Wilhelm Worringer.

Andre Pirro, Vesthe'tique de Jean-Se'bastien Bach. Paris, Librairie Fisch-
bacher. 1907. Lex. 8°. 539 S.

Pirro, der schon mehrfach mit Arbeiten über Bach hervorgetreten ist, geht in
der vorliegenden Untersuchung von der Anschauung aus, daß alte Musik so lange
für uns tot bleibt, als wir nicht, über die formale Analyse hinausgehend, ihren
Empfindungsgehalt uns zu enthüllen wissen. Jedwede Epoche hat Meister aufzu-
weisen, die in Ausnützung der Ausdruckskraft der Musik eigenes Erleben in Tönen
darstellen, bestimmte Empfindungen im Hörer wachrufen wollten. Zu diesen ge"
hört Bach. Technische Analysen klären nur die Mittel seiner Kunst, lassen nicM
ihr Wesen und Ziel erkennen. Dazu müssen die Prinzipien aufgedeckt werden, die
die Offenbarungen seiner schöpferischen Kraft bestimmten, müssen die Elemente
seiner Musik wie Worte einer unbekannten Sprache enträtselt werden. Erst dann
wird sein Streben nach Ausdruck, das System, nach welchem er dies Streben be-
tätigt, offensichtlich.

Als Elemente der Bachschen Tonsprache bezeichnet und untersucht Pirro Motive,


 
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