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WALDEMAR CONRAD.
freilich muß dabei der Begriff des intentionalen Gegenstandes von
anderen Gegenstandsbegriffen scharf getrennt gehalten werden. Von
diesen beirrenden Verwechslungen wird sogleich die Rede sein.
Nachdem wir nämlich so gesehen haben, wie die Wortmeinung, die
wir anfangs dem Wortzeichen als zweites charakteristisches Moment
gegenüberstellten, in diese zwei Faktoren »Bedeutung« und »Gegen-
stand« zerfällt, müssen wir suchen, diese beiden Phänomene gegen-
einander und gegen andere verwandte abzugrenzen und näher zu
charakterisieren.
Selbstverständlich ist, daß es sich hier nicht um »Gegenstände«
in dem üblichen engsten Sinne handelt, der die »Dinge« oder kon-
kreten Identitäten einerseits umfaßt, die abstrakten Identitäten anderer-
seits (etwa derart, wie vorher angedeutet, daß »gleichseitiges Drei-
eck« und »gleichwinkliges Dreieck« denselben Gegenstand bedeuten).
Vielmehr ist der intentionale Gegenstand, wie wir schon in der
Einleitung andeuteten, charakterisiert durch die Gegenstandsstellung.
Gegenstand ist also das, was uns »gegenübersteht«. Diese Cha-
rakterisierung ist aber einer sehr naheliegenden Mißdeutung ausgesetzt.
Bei unseren ersten Beispielen — so wird man sagen — ist dieses
»Gegenüberstehen« sofort in die Augen fallend; »dieser Tisch« be-
zeichnet einen mir gegenüberstehenden oder mir »vorschwebenden«
Tisch, und in übertragener Bedeutung kann man dasselbe auch von
der »Drei« sagen, die mir bei dem Ausdruck, »zweite ungrade Zahl«
als das Gemeinte vorschwebt. Aber in dieser Weise steht mir bei
dem Ausdruck »ist« oder »liegt« offenbar nichts gegenüber; denn
wollte man sagen, das Sein beziehungsweise das Liegen sei mir der-
artig gegenständlich, so hätten wir offenbar eine Umwendung des Aus-
druckes (in die substantivische Form) vorgenommen, der Ausdruck
»liegt« kann aber nimmermehr ersetzt werden durch den änderen das
»Liegen«, in der Weise, wie der Ausdruck »die Zahl drei« durch den
anderen die »zweite ungrade Zahl«. Er ist nicht nur bedeutungsver-
schieden, sondern bezeichnet auch verschiedene Gegenstände. Wir
müssen also dieses »Gegenüberstehen«, im eigentlichsten Sinne, dem
der Name »Gegenstand« offenbar ursprünglich seine Einführung in
diese Terminologie verdankt, als ein spezielles Merkmal solcher Aus-
drücke ansehen, die uns als Subjekte möglicher Aussagen vorschweben,
d. h. substantivischer1), müssen es aber als allgemeines Charakteristi-
kum des Gegenstandseins fallen lassen2). Für dieses bleibt ein Gegen-
') Husserl sagt »subjektivischer«, a. a. O. S. 440 u. f.
2) Wenn Husserl an anderer Stelle sagt (S. 46), Gegenstand sei das, worüber
der Ausdruck etwas aussage, Bedeutung das, was er aussage, so hat er dabei
sichtlich wiederum bei dem »Gegenstand« speziell den substantivischen Gegenstand
WALDEMAR CONRAD.
freilich muß dabei der Begriff des intentionalen Gegenstandes von
anderen Gegenstandsbegriffen scharf getrennt gehalten werden. Von
diesen beirrenden Verwechslungen wird sogleich die Rede sein.
Nachdem wir nämlich so gesehen haben, wie die Wortmeinung, die
wir anfangs dem Wortzeichen als zweites charakteristisches Moment
gegenüberstellten, in diese zwei Faktoren »Bedeutung« und »Gegen-
stand« zerfällt, müssen wir suchen, diese beiden Phänomene gegen-
einander und gegen andere verwandte abzugrenzen und näher zu
charakterisieren.
Selbstverständlich ist, daß es sich hier nicht um »Gegenstände«
in dem üblichen engsten Sinne handelt, der die »Dinge« oder kon-
kreten Identitäten einerseits umfaßt, die abstrakten Identitäten anderer-
seits (etwa derart, wie vorher angedeutet, daß »gleichseitiges Drei-
eck« und »gleichwinkliges Dreieck« denselben Gegenstand bedeuten).
Vielmehr ist der intentionale Gegenstand, wie wir schon in der
Einleitung andeuteten, charakterisiert durch die Gegenstandsstellung.
Gegenstand ist also das, was uns »gegenübersteht«. Diese Cha-
rakterisierung ist aber einer sehr naheliegenden Mißdeutung ausgesetzt.
Bei unseren ersten Beispielen — so wird man sagen — ist dieses
»Gegenüberstehen« sofort in die Augen fallend; »dieser Tisch« be-
zeichnet einen mir gegenüberstehenden oder mir »vorschwebenden«
Tisch, und in übertragener Bedeutung kann man dasselbe auch von
der »Drei« sagen, die mir bei dem Ausdruck, »zweite ungrade Zahl«
als das Gemeinte vorschwebt. Aber in dieser Weise steht mir bei
dem Ausdruck »ist« oder »liegt« offenbar nichts gegenüber; denn
wollte man sagen, das Sein beziehungsweise das Liegen sei mir der-
artig gegenständlich, so hätten wir offenbar eine Umwendung des Aus-
druckes (in die substantivische Form) vorgenommen, der Ausdruck
»liegt« kann aber nimmermehr ersetzt werden durch den änderen das
»Liegen«, in der Weise, wie der Ausdruck »die Zahl drei« durch den
anderen die »zweite ungrade Zahl«. Er ist nicht nur bedeutungsver-
schieden, sondern bezeichnet auch verschiedene Gegenstände. Wir
müssen also dieses »Gegenüberstehen«, im eigentlichsten Sinne, dem
der Name »Gegenstand« offenbar ursprünglich seine Einführung in
diese Terminologie verdankt, als ein spezielles Merkmal solcher Aus-
drücke ansehen, die uns als Subjekte möglicher Aussagen vorschweben,
d. h. substantivischer1), müssen es aber als allgemeines Charakteristi-
kum des Gegenstandseins fallen lassen2). Für dieses bleibt ein Gegen-
') Husserl sagt »subjektivischer«, a. a. O. S. 440 u. f.
2) Wenn Husserl an anderer Stelle sagt (S. 46), Gegenstand sei das, worüber
der Ausdruck etwas aussage, Bedeutung das, was er aussage, so hat er dabei
sichtlich wiederum bei dem »Gegenstand« speziell den substantivischen Gegenstand