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KARL BÜCHLER.
an Spannung gefühlt1). Im Tragischen wird eine große Spannung
scheinbar nutzlos vernichtet, im Komischen fällt sie zu unverhältnis-
mäßiger Kleinheit zusammen2). In der Furcht3) endlich staut sich eine
unlustvolle Spannung, während die lustige in einem Lachen abströmt4)-
Schließlich ließe sich das ganze Gefühlsvermögen mit seinen verschie-
denen Spannungsgraden heranziehen. Zu dieser Betrachtungsweise
neigten sowohl Vischer (Ästhetik III, S. 929) als Otto Ludwig, der von
dem Affekt sagte, er wechsle immer »zwischen Überspannung und
Abspannung des Gefühlsvermögens und den Graden dazwischen, die
oft mit großer Schnelligkeit durchlaufen werden« (Studien I, S. 452).
Denn jedes Gefühl hat irgend ein Ziel oder einen Höhepunkt, auf den
es drängt oder spannt. Und eben dieses Anwachsen, die innere
Nötigung im Gefühle wird gemessen durch die Spannung. Daher kann
man sagen, daß sich darin der dynamische Aufbau des Gefühls zu
erkennen gibt, und der Spannungsbegriff zu einer formalen bezw. in-
tensiven Analyse der Gefühle geeignet ist. So verallgemeinert sich
auch bei Th. Lipps der Spannungsbegriff zu jeder Anspannung der
Auffassungstätigkeit, wird also dynamisch bezw. formal verstanden
(Ästhetik I, S. 323). Nebenbei verwendet er wieder den Begriff Spannung
in dem älteren Sinne von unbefriedigtem Drängen und Gegensatz. In
diesen Darlegungen ist Spannung lediglich nach seiner dynamischen
Seite gebraucht, als ein bloßer Zustand der Erfaßtheit, der deutlich
von^dem »Interesse« abzutrennen ist, an welchem sich außerdem Ver-
standesspannungen beteiligen. Beide Ausdrücke werden ja vielfach
gleichbedeutend gebraucht, aber die intellektuelle Beteiligung unter-
scheidet das Interesse5) von der nur gefühlsmäßigen Spannung. Hält
man an dieser Abgrenzung fest und achtet darauf, wann gegenüber
ästhetischen Werken das eine Verhalten und wann das andere einsetzt,
so wird man daraus eine größere Sicherheit in der Beurteilung der
ästhetischen Bedeutung gewinnen.
IL Der Spannungsbegriff in der ästhetischen Theorie.
Die vorbeschriebenen Spannungsempfindungen und -Gefühle ent-
stehen auf Veranlassung eines Objektes, speziell einer bestimmten
') Th. Lipps, Ästhetik I, S. 556/557.
2) Vischer, Ästhetik I, S. 473/474.
3) Vischer, Ästhetik I, S. 330/331, vermutet sogar, daß mit der aristotelischen
Formel »Furcht und Mitleid« hauptsächlich die starke Spannung gemeint sei.
4) Kant, Kritik der Urteilskraft § 53 Anm.
s) Wie hier der Spannung eine fundamentale Rolle in dem psychischen Ge-
KARL BÜCHLER.
an Spannung gefühlt1). Im Tragischen wird eine große Spannung
scheinbar nutzlos vernichtet, im Komischen fällt sie zu unverhältnis-
mäßiger Kleinheit zusammen2). In der Furcht3) endlich staut sich eine
unlustvolle Spannung, während die lustige in einem Lachen abströmt4)-
Schließlich ließe sich das ganze Gefühlsvermögen mit seinen verschie-
denen Spannungsgraden heranziehen. Zu dieser Betrachtungsweise
neigten sowohl Vischer (Ästhetik III, S. 929) als Otto Ludwig, der von
dem Affekt sagte, er wechsle immer »zwischen Überspannung und
Abspannung des Gefühlsvermögens und den Graden dazwischen, die
oft mit großer Schnelligkeit durchlaufen werden« (Studien I, S. 452).
Denn jedes Gefühl hat irgend ein Ziel oder einen Höhepunkt, auf den
es drängt oder spannt. Und eben dieses Anwachsen, die innere
Nötigung im Gefühle wird gemessen durch die Spannung. Daher kann
man sagen, daß sich darin der dynamische Aufbau des Gefühls zu
erkennen gibt, und der Spannungsbegriff zu einer formalen bezw. in-
tensiven Analyse der Gefühle geeignet ist. So verallgemeinert sich
auch bei Th. Lipps der Spannungsbegriff zu jeder Anspannung der
Auffassungstätigkeit, wird also dynamisch bezw. formal verstanden
(Ästhetik I, S. 323). Nebenbei verwendet er wieder den Begriff Spannung
in dem älteren Sinne von unbefriedigtem Drängen und Gegensatz. In
diesen Darlegungen ist Spannung lediglich nach seiner dynamischen
Seite gebraucht, als ein bloßer Zustand der Erfaßtheit, der deutlich
von^dem »Interesse« abzutrennen ist, an welchem sich außerdem Ver-
standesspannungen beteiligen. Beide Ausdrücke werden ja vielfach
gleichbedeutend gebraucht, aber die intellektuelle Beteiligung unter-
scheidet das Interesse5) von der nur gefühlsmäßigen Spannung. Hält
man an dieser Abgrenzung fest und achtet darauf, wann gegenüber
ästhetischen Werken das eine Verhalten und wann das andere einsetzt,
so wird man daraus eine größere Sicherheit in der Beurteilung der
ästhetischen Bedeutung gewinnen.
IL Der Spannungsbegriff in der ästhetischen Theorie.
Die vorbeschriebenen Spannungsempfindungen und -Gefühle ent-
stehen auf Veranlassung eines Objektes, speziell einer bestimmten
') Th. Lipps, Ästhetik I, S. 556/557.
2) Vischer, Ästhetik I, S. 473/474.
3) Vischer, Ästhetik I, S. 330/331, vermutet sogar, daß mit der aristotelischen
Formel »Furcht und Mitleid« hauptsächlich die starke Spannung gemeint sei.
4) Kant, Kritik der Urteilskraft § 53 Anm.
s) Wie hier der Spannung eine fundamentale Rolle in dem psychischen Ge-