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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0379

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BESPRECHUNGEN. 373

gegen bezieht sich nicht auf die Ktmstseele, sondern auf den Kunstleib. Der Genuß,
der aus dem Verständnis der Technik im weitesten Sinne erwächst, ist künstlerischer
Genuß« (S. 38 f.). Das scheint uns nun eine Einengung des »Künstlerischen« zu
bedeuten, die das Gegenteil darstellt von der Auffassung Meumanns etwa, der das
»Ästhetische« aus dem »Künstlerischen« gewinnen wollte. Dem soll nicht wider-
sprochen werden, daß das »Ästhetische« sich auch außerhalb des Gebietes der
Kunst findet. Aber wenn dem Kunstwerk gegenüber das »Ästhetische« vom
»Technisch-Künstlerischen« isoliert werden soll, so erscheint letzteres doch als Akzi-
denz im äußerlichsten Sinn des Wortes. Ferner sagt der Verfasser doch selbst, es
gebe keine unbeseelte Linie am Werke der Raumkünste (S. 18 f.). Ist aber der
Ausdruck einer Linie von ihrer Faktur wirklich unabhängig? Und was bedeuiet
das Material? Wölfflins Worte uns bedienend möchten wir betonen: »Die künst-
lerische Sinnlichkeit beginnt bei der Technik. Das Material, das er (sc. der Künstler)
sich wählt, ist schon ein Ausdruck seiner Formempfindung . . .« (Die Kunst
A. Dürers 2,1908, S. 335). Der Kürze halber möchten wir den Schluß vom Schöpfer
des Werkes auf den Genießer in den Aphorismus kleiden: Der Schüler aber ist
nicht über den 7vleister. Nun ist es aber auch noch der Verfasser selbst, der ge-
legentlich die Trennung des »Ästhetischen« vom »Künstlerischen« aufhebt, so wenn
er z. B. S. 14 schreibt: ». . . was künstlerisch, nicht allein technisch vollkommen ist,
muß auch immer ästhetisch sein.« Ebenso verwendet der Verfasser in seiner Lehre
vom Kunstwert den Begriff des »Künstlerischen« nach seinem volleren Sinn
(S. 50 ff.). Doch ändert das nichts an seiner Theorie vom »Ästhetischen«.

Und diese macht sich auch geltend in seiner Stellung zum Impressionis-
mus: er ist dem Verfasser »eine kalte, seelenlose Schönheit« (S. 40) und führt zur
Unfreiheit der Kunst, zu ihrer drückenden Abhängigkeit von der Natur, und mehr
oder weniger zu innerer Leere und Seelenlosigkeit bei äußerlich oft meisterhafter
Überwindung technischer Schwierigkeiten« (S. 33 f.). Man fragt sich wohl, wie der
Verfasser, der von den Impressionisten Manet, Monet, Cezanne, Segantini, M. Lieber-
mann nennt, zu diesem Urteil kommt. Es ist sein Grundbegriff der Kunstseele,
der ihn dazu führt. Mit voller Deutlichkeit wird das ersichtlich aus der Stelle: »Ja,
streng genommen ist die Kunstseele für den echten Impressionisten, der sich um
den Kunstleib müht, etwas Gleichgültiges. Was haben Licht und Farbe, stoffliche
Oberfläche, Gestalt, Bewegung mit Seelischem zu tun?« (S. 27). Auf die Frage
würden wir (ähnlich wie vorher) antworten: sehr viel, und würden auf die seelische
Wirkung verweisen, die z. B. M. Liebermanns »Kirchgang in Laren« ausstrahlt,
nicht auf Grund der stofflichen Bedeutung, sondern einzig und allein durch seine
Farben, sein Licht usw. Oder das Seelenstille in Bildern Manets: z. B. »Im Kaffee-
haus« die summend singenden Gäste! Oder die Frauenbilder Renoirs in impressio-
nistischer Art: z. B. »La femme au chat« oder die Baigneuse (von 1881)! Oder ein
Stilleben von Ch. Schuch, wie das Spargelstilleben aus der (ehemaligen) Sammlung
Schmeil!

Vom Expressionismus, sagt der Verfasser, ist allein der gemäßigte, der
die Dinge wenigstens als Dinge kenntlich macht, diskutabel (S. 42), also nicht der
Kubismus und Futurismus (S. 44). Der gemäßigte Expressionismus, gesteht der
Verfasser, vermag tiefe seelische Gehalte zu geben (S. 42). Aber es liegt, meint er,
im Expressionismus eben doch die große Gefahr der Wirklichkeiisfremdheit, die den
Kunstleib nebensächlich behandelt. Diese »Vergeistigung« der Kunst führt leicht
zur Unkunst (S. 43 f.). Mit dem expressionistisch gestalteten Kunstleib wird dann
auch die expressionistische Kunstseele, sofern sie eben mit völlig wirklichkeitsfeind-
lichen Formen arbeitet, unverständlich: der Expressionismus will in Symbolen sich
 
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