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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 1
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Stoltenberg, Hans Lorenz: Sinnen- und Übersinnenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0023

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SINNEN- UND ÜBERSINNENKUNST. \j

solche Künstler »Opfer des Naturalismus« heißen — dann muß man
aber auch dasselbe Urteil über Grünewald und van Gogh fällen,
nämlich vom Standpunkt der reinen und freien Farbkunst aus! —, vom
höheren Standpunkte der Kunstlehre aus aber sind sie — genau so
wieder wie Grünewald und van Gogh — Herolde nicht nur des »Ex-
pressionismus«, sondern Herolde der übersinnenbeherrschten Einheit
von Sinnen- und Übersinnenseele im Kunstwerk.

Zum Schluß will ich noch die Ergebnisse dieses Aufsatzes
kurz zusammenfassen. Außer den Werken freier reiner Sinnenkunst
gibt es auch solche unfreier reiner Sinnenkunst, die mehr oder
minder stark schon zusammengesetzte Teile der Wirklichkeit als solche
mit verwenden, dadurch aber leicht Gefahr laufen, zum mindesten
bei einigen Betrachtern, die Einheitlichkeit des Erlebens zu zerstören.

Ebenso gibt es auch neben den Werken — verhältnismäßig —
einfacher Übersinnenkunst, in denen zwar unvermeidlich auch Sinnen-
seelisches vorhanden ist, in denen das aber keine eigene Bedeutung
hat, noch Werke mit künstlerisch bedeutsamer Sinnenseele, Werke mehr
oder minder stark gemischter Übersinnenkunst. Auch diese Kunst-
werke geben leicht Veranlassung zu Schwankungen in der Einstellung.
Deshalb ist auch hier vom Künstler bei der Heranziehung des Sinnen-
seelischen mit Vorsicht zu verfahren. Vom Standpunkt der höchsten
Kunst aus ist nicht nur alles Sinnenseelische zu vermeiden, was den
gewollten Übersinneneindruck stören könnte, sondern ist sogar alles
herbeizuholen, was irgend zur Steigerung der nun einmal zum Herr-
schen bestimmten Übersinnenseele geeignet ist.

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XVI.
 
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