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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 2
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Kjerbüll-Petersen, Lorenz: Zur Erinnerung an Konrad Lange
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0216

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Bemerkungen.

Zur Erinnerung an Konrad Lange.

Von
Lorenz Kjerbüll-Petersen.

Die letzten Jahre waren für die deutsche Ästhetik reich an schmerzlichen VC'
lusten. Nach Lipps, Meumann und Simmel ist nunmehr auch die markante Gestalt
Konrad Langes aus der Reihe der Lebenden geschieden. Mit jäher Gewalt
überfiel den Sechsundsechzigjährigen der Tod. Kurz war das Ringen und heiß-
Jenes langsame aber unerbittliche Absterben der physischen und psychischen Kräue>
das wir Altern nennen, Konrad Lange blieb es erspart: weiß worden war nur sein
Haar. Welch eine Unsumme von Arbeit er sich noch zu leisten getraute, davon
legt sein reicher Nachlaß beredtes Zeugnis ab. Und doch bedarf das Wissenschaft"
liehe Charakterbild Langes keiner Ergänzung; es stand fest seit dem Jahre 190'>
jenem Jahre, das uns die zweite Auflage seines Hauptwerkes, des »Wesens der
Kunst«, und mit ihm den Abschluß einer interessanten wissenschaftlichen Entwich'
lung brachte.

Konrad Lange, am 15. März 1855 zu Göttingen als Sohn des Professors tür
klassische Philologie Ludwig Lange und dessen Ehefrau geb. Blume geboren, hätte
auch von sich im Sinne jenes bekannten Goethewortes sprechen können; hatte et'
doch vom Vater die Vorzüge eines nüchtern, klar und sachlich denkenden Mannes
ins Leben mitbekommen, zu denen sich das Erbteil der Mutter, eine ausgesprochene
künstlerische Begabung, in glücklichster Weise gesellte. Es ist eine bekannte Tat-
sache, daß bei derartigen wissenschaftlich-künstlerischen Doppelbegabungen den'
jungen Menschen die künstlerische Seite zuerst bewußt zu werden und ihn bei
freier eigener Wahl meistens zur Ergreifung eines entsprechenden Berufs zu ver-
anlassen pflegt. Das war auch bei dem jungen Lange der Fall: nach Absolvierung'
seiner in Gießen begonnenen und in Leipzig beendigten Gymnasialzeit beschloß er
sich zum Architekten auszubilden. Einer Elevenzeit bei C.W. Hase in Hannover
folgte ein kurzes Studium auf der Technischen Hochschule zu Berlin.

Die deutsche Baukunst der damaligen Zeit bewegte sich bekanntermaßen in
den mehr als ausgetretenen Bahnen einer geist- und phantasielosen Nachahmerei
der überkommenen historischen Stile, unbekümmert um die praktischen und künst-
lerischen Forderungen einer von Grund aus veränderten Zeit; und es ist vielleicht
bezeichnend für die ganze Verfahrenheit dieser Zeit in ästhetischen Dingen, wenn
der junge Lange damals der festen Überzeugung war, der künstlerische Genuß, de'1
ein modernes architektonisches Kunstwerk allenfalls bereite, bestehe in dem Auf-
finden der in ihm zur Anwendung gebrachten tektonischen und dekorativen Ele-
mente der verschiedenen sakrosankten historischen Stile. Lange selbst äußerte sie'1
wohl gelegentlich, der öde Schematismus des theoretischen wie praktischen Betriebs
des erwählten Kunsthandwerks sei schuld gewesen, daß er sich überraschend sehne"
von einem künstlerischen Saulus zu einem wissenschaftlichen Paulus bekehrt habe-
 
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