_ BEMERKUNGEN. 211
lch teile diese seine Ansicht nicht. Jene Männer, mit deren Namen der gewaltige
Aufschwung der Baukunst in unseren Tagen verbunden ist, haben mit gleicher
Ungunst der Bildungsverhältnisse zu kämpfen gehabt. Bedeutet doch für eine
«arke künstlerische Natur — im Sinne Goethes — der Akademismus zumeist nur
e'ne momentane Hemmung, deren als notwendig erkannte Überwindung häufig die
Hirnzelle eines persönlichen Stilwillens bildete. Tatsache scheint mir zu sein, daß
Ranges mehr in die allgemeine Breite des gebildeten Dilettanten als ins Artistisch-
Pezielle gehende künstlerische Anlage einem Ausgleich seiner Doppelbegabung
uf künstlerischer Basis nicht die nötige Schwere zu geben vermochte und daß die
eheinbare Ungunst der äußeren Verhältnisse für ihn in Wirklichkeit einen be-
onderen Glücksfall bedeutete, da sie die notwendige Krisis beschleunigte und ihm
Ie übliche qualvoll lange Dauer eines unsicheren und zumeist unfruchtbaren Herum-
exPerimentierens erließ.
Die Reaktion erfolgt prompt und kräftig, entsprechend den Bedingungen eines
ausgesprochen cholerischen Temperaments und führt ihn zu dem innerhalb der
"gedeuteten Doppelbegabung möglichen Extrem: der Architekt wandelt sich zum
^rchäologen. Berlin, Leipzig und München bezeichnen die Etappen seines Stu-
•uums. Die Dissertation des Vierundzwanzigjährigen, eine Abhandlung über das
Motiv des aufgestützten Fußes in der antiken Kunst, verrät noch nichts vom späteren
*lssenschaftlichen Charakter ihres Verfassers. Sie ist eine fleißige, gewissenhafte
Arbeit ohne besondere persönliche Note. Man merkt dem schweren, schleppenden
u' das mühsame Ringen um die Beherrschung des Stoffs und des darstellerischen
Usdrucks in jeder Zeile an. Die folgenden Wanderjahre führen den jungen
■ssenschaftler in die gelobten Lande der Kunst, nach den Niederlanden, nach
"gland und Frankreich, nach Griechenland, Kleinasien und Italien. Das wissen-
uaftliche Ergebnis dieser Reisen bildet Langes erstes bedeutendes Werk, die um-
angreiche Abhandlung »Haus und Halle«, mit derber sich 1884 in Jena habilitiert.
m nächsten Jahre schon erfolgt die Berufung des Dreißigjährigen als Extraordinarius
ach Göttingen, 1892 finden wir ihn in gleicher Eigenschaft in Königsberg; das
Jähr I894 endlich setzt der Wanderzeit mit der Ernennung zum Ordinarius in
uhingen als Nachfolger Köstlins ein endgültiges Ziel.
In wissenschaftlicher Beziehung sind inzwischen mancherlei Wandlungen einge-
ben. Aus dem Archäologen ist der Historiker der mittelalterlichen und neueren
Jurist geworden, und zwar ist es zunächst die Zeit der Renaissance, die sein
0rscherinteresse in Anspruch nimmt. Im Jahre 1891 erscheint neben der Abhand-
,ng über den schlafenden Amor des Michelangelo eine solche über den sogenannten
aPstesel, 1897 das Werk über Peter Flötner, den lange verkannten Nürnberger
Meister.
Nach erfolgter Aneignung des erforderlichen historischen Fachwissens ist
•Jessen eine abermalige Neuorientierung des wissenschaftlichen Interesses einge-
, eten. Das Historische in der Kunst beginnt für Lange hinter dem Künstlerischen
der Historie zurückzutreten; der Kunsthistoriker wird zum Kunsthistoriker.
e Frage nach dem eigentlichen Wesen dessen, das wir als Kunst zu bezeichnen
„ w°hnt sind, taucht immer wieder auf und drängt zur Lösung. Verschiedene
nere Umstände begünstigen diese Entwicklung. Zwei brennende Tagesfragen vor
em nötigen zur Stellungnahme, eine rein künstlerische und eine kunstpädagogische.
In der Malerei ist eine Gruppe von Künstlern aufgetreten, die mit Zähigkeit
m die Anerkennung ihrer neuen künstlerischen Prinzipien ringt. Der Impressio-
lsmus beginnt sich aus dem Stadium eines enfartt tenible zu gesunder männlicher
^eife zu entwickeln. Mit überlegener spöttischer Ablehnung ist es nicht mehr
lch teile diese seine Ansicht nicht. Jene Männer, mit deren Namen der gewaltige
Aufschwung der Baukunst in unseren Tagen verbunden ist, haben mit gleicher
Ungunst der Bildungsverhältnisse zu kämpfen gehabt. Bedeutet doch für eine
«arke künstlerische Natur — im Sinne Goethes — der Akademismus zumeist nur
e'ne momentane Hemmung, deren als notwendig erkannte Überwindung häufig die
Hirnzelle eines persönlichen Stilwillens bildete. Tatsache scheint mir zu sein, daß
Ranges mehr in die allgemeine Breite des gebildeten Dilettanten als ins Artistisch-
Pezielle gehende künstlerische Anlage einem Ausgleich seiner Doppelbegabung
uf künstlerischer Basis nicht die nötige Schwere zu geben vermochte und daß die
eheinbare Ungunst der äußeren Verhältnisse für ihn in Wirklichkeit einen be-
onderen Glücksfall bedeutete, da sie die notwendige Krisis beschleunigte und ihm
Ie übliche qualvoll lange Dauer eines unsicheren und zumeist unfruchtbaren Herum-
exPerimentierens erließ.
Die Reaktion erfolgt prompt und kräftig, entsprechend den Bedingungen eines
ausgesprochen cholerischen Temperaments und führt ihn zu dem innerhalb der
"gedeuteten Doppelbegabung möglichen Extrem: der Architekt wandelt sich zum
^rchäologen. Berlin, Leipzig und München bezeichnen die Etappen seines Stu-
•uums. Die Dissertation des Vierundzwanzigjährigen, eine Abhandlung über das
Motiv des aufgestützten Fußes in der antiken Kunst, verrät noch nichts vom späteren
*lssenschaftlichen Charakter ihres Verfassers. Sie ist eine fleißige, gewissenhafte
Arbeit ohne besondere persönliche Note. Man merkt dem schweren, schleppenden
u' das mühsame Ringen um die Beherrschung des Stoffs und des darstellerischen
Usdrucks in jeder Zeile an. Die folgenden Wanderjahre führen den jungen
■ssenschaftler in die gelobten Lande der Kunst, nach den Niederlanden, nach
"gland und Frankreich, nach Griechenland, Kleinasien und Italien. Das wissen-
uaftliche Ergebnis dieser Reisen bildet Langes erstes bedeutendes Werk, die um-
angreiche Abhandlung »Haus und Halle«, mit derber sich 1884 in Jena habilitiert.
m nächsten Jahre schon erfolgt die Berufung des Dreißigjährigen als Extraordinarius
ach Göttingen, 1892 finden wir ihn in gleicher Eigenschaft in Königsberg; das
Jähr I894 endlich setzt der Wanderzeit mit der Ernennung zum Ordinarius in
uhingen als Nachfolger Köstlins ein endgültiges Ziel.
In wissenschaftlicher Beziehung sind inzwischen mancherlei Wandlungen einge-
ben. Aus dem Archäologen ist der Historiker der mittelalterlichen und neueren
Jurist geworden, und zwar ist es zunächst die Zeit der Renaissance, die sein
0rscherinteresse in Anspruch nimmt. Im Jahre 1891 erscheint neben der Abhand-
,ng über den schlafenden Amor des Michelangelo eine solche über den sogenannten
aPstesel, 1897 das Werk über Peter Flötner, den lange verkannten Nürnberger
Meister.
Nach erfolgter Aneignung des erforderlichen historischen Fachwissens ist
•Jessen eine abermalige Neuorientierung des wissenschaftlichen Interesses einge-
, eten. Das Historische in der Kunst beginnt für Lange hinter dem Künstlerischen
der Historie zurückzutreten; der Kunsthistoriker wird zum Kunsthistoriker.
e Frage nach dem eigentlichen Wesen dessen, das wir als Kunst zu bezeichnen
„ w°hnt sind, taucht immer wieder auf und drängt zur Lösung. Verschiedene
nere Umstände begünstigen diese Entwicklung. Zwei brennende Tagesfragen vor
em nötigen zur Stellungnahme, eine rein künstlerische und eine kunstpädagogische.
In der Malerei ist eine Gruppe von Künstlern aufgetreten, die mit Zähigkeit
m die Anerkennung ihrer neuen künstlerischen Prinzipien ringt. Der Impressio-
lsmus beginnt sich aus dem Stadium eines enfartt tenible zu gesunder männlicher
^eife zu entwickeln. Mit überlegener spöttischer Ablehnung ist es nicht mehr