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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 3
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Baeumler, Alfred: Benedetto Croce und die Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0314

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VII.

Benedetto Croce und die Ästhetik.

Von

Alfred Baeumler.

1.
In der Frage nach dem Konkreten, Lebendigen, Erfüllten schneiden
sich die höchsten Interessen des Lebens und der Philosophie. Ge-
länge es der Logik, das Problem des Individuums zu lösen, dann wäre
die Kluft zwischen »Erlebnis und'Denken«, Intuition und Abstraktion,
Geschichte und Systematik überbrückt, die Philosophie mit dem Leben
versöhnt. Alle Versuche, die zur Lösung dieses Kardinalproblems
gemacht werden, verdienen schon ihres Gegenstandes wegen die inten-
sivste Beachtung. Es möchte scheinen, daß die deutsche Philosophie
versäumt habe, ihre Kraft dem zuzuwenden, was vor allem ihr Interesse
verdient hätte. Wir haben Erscheinungen wie Bergson und Croce
nichts gegenüberzustellen, denn Dilthey, an den man zuerst denken
möchte, hat sich mit der konkreten historischen Forschung begnügt,
ohne eine Metaphysik des Konkreten zu entwerfen. Trotzdem würde
es eine nur oberflächliche Kenntnis der deutschen Philosophie der
Gegenwart verraten, wenn man behauptete, daß in ihr die Probleme
der Intuition und des Lebens nicht die Rolle spielten, die ihnen in1
europäischen Denken längst zugebilligt ist. Eher steht zu vermuten,
daß sich der Vorgang wiederhole, der die Geschichte der europäischen
Philosophie im 18. Jahrhundert charakterisiert. Auch damals war das
Problem des Individuums, des Gefühls, des Geschmacks und des
Genies durch Italiener, Franzosen und Engländer in eleganten und
geistreichen Schriften längst abgehandelt, als Kant in der Kritik der
Urteilskraft, der deutschen Lehre vom Geschmack und Genie, das spät-
kommende, aber erlösende Wort aussprach, welches seinen Nach-
folgern von Schiller bis Hegel und Vischer die größten Konzeptionen
in der Ästhetik ermöglichte. Der Vergleich läßt sich vielleicht weiter
ausdehnen. Wie gegenüber Bouhours, Dubos, Vico, Burke, Home
und Gerard die »Aestheäca« des feinen und geschulten A. G. Baum-
garten allzu schwerfällig und zünftig erschien und deshalb im euro-
 
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