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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 4
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Hauttmann, Max: Ein Beitrag zur Kunstpädagogik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0507

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Bemerkungen.

Ein Beitrag zur Kunstpädagogik.

(Verwendungsmöglichkeiten des Projektionsapparates in
seminaristischen Übungen.)

Von

Max Hauttmann.

Mit 3 Abbildungen.

Bei Übungen zur Geschichte der mittelalterlichen Plastik im abgelaufenen Winter-
semester machte ich den Versuch, das Lichtbild nicht auf die weiße Saalwand oder
Leinwand, sondern auf die schwarze Schultafel zu werfen, um daran zeichnerische
Operationen vornehmen zu können. Es ergab sich, daß auch bei nur halbverdunkeltem
Saal der braune Ton der Photographie sich genügend vom schwarzen Grund der
Tafel abhebt und daß die mit der weißen Kreide eingezeichneten Linien während
des Zeichnens gut zu verfolgen und deutlich sichtbar sind. Voraussetzung ist aus-
reichende Lichtstärke, — die Lichtstärke eines Spiegelepidiaskopbildes genügt nicht —
Bewegbarkeit des Apparates, um durch Vor- und Zurückschieben die Größenver-
hältnisse des Bildes regulieren zu können, und eine feststehende senkrechte Schul-
tafel — Schiebetafeln müssen verkeilt werden, um beim Zeichnen nicht zu zittern. —
Wir übten hauptsächlich an romanischen Stücken. Eine Entwicklungsreihe, z. B.
Weltenrichtertympana, wurde zunächst auf der weißen Wand gezeigt und durch
Antworten aus dem Auditorium heraus eingehend analysiert. Erst wenn die Hörer
die ganze Entwicklung überschauten, die Fragestellung beherrschten und sich klar
Waren, worauf es ankommt, wurden zwei Eckpunkte der Reihe als Beispiel und
Gegenbeispiel durchgezeichnet. Die Zeichner, die sich aus dem Auditorium meldeten,
sollten mit der Kreide nur herausholen, was die Wortanalyse aus den Bildern heraus
oder in sie hinein gesehen hatte. So war bei dem Moosburger Christus (Abb. 1 a)
die Strichführung von vornherein eckig, hart und stilisierend, eingestellt das Gebundene
in Haltung, Bewegung und Ausdruck zu unterstreichen, die Bedeutung der Kontur
gegenüber der Innenzeichnung, die Geradlinigkeit und Rechtwinkligkeit der Be-
grenzungslinien, die die einzelnen Teile in fast reguläre geometrische Figuren pressen
möchten, die klare Absetzung Teil gegen Teil, die Symmetrie, die Frontalität, das
strähnige Haar usw., und eingezeichnete Achsen — senkrechte Höhenachse, die
Querachsen als Parallelen unter 90° auf der Höhenachse — brachten diesen klassi-
schen Stil nahezu auf eine mathematische Formel. Man mußte nur mahnen, daß
der Zeichner nicht zu stark stilisierte und nicht zu sehr zugunsten des hineininter-
pretierten Formideals vereinfachte und unterschlug. Wie man dann bei dem Gegen-
beispiel, dem Christus des Regensburger Augustinertympanons (Abb. lb), bremsen
mußte, daß die Hand nicht gar zu sehr schwelgte in dem flockigen Geball der
Haare, in den weichfließenden, welligen, langgezogenen Faltenkurven, die man am
•iebsten mit breiten Pinselstrichen wiedergäbe, daß sie überhaupt noch Konturen
nachging hier, wo die Grenzen der einzelnen Teile aufgehoben, die Übergänge ver-
 
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