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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 2
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Marcus, Hugo: Landschaft und Seele
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0215

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LANDSCHAFT UND SEELE. 209

Dinge locken, die als Dinge erreichbar scheinen, als Ferne aber uner-
reichbar sind, werden wir, wir mögen den Trug selbst durchschauen,
•n ewiger Bewegung gehalten.

Es bedarf kaum eines Hinweises, daß es der Seele mit ihren
•nneren Zielen ähnlich geht, wie optisch und greifbar mit der Land-
schaft. Ziel ist uns immer das, was wir noch nicht haben, also das
Verkannte, Ferne, Neue. Denn was an den Dingen lockt, sind nicht
s°Wohl die Dinge selbst, als daß uns diese Dinge noch unbekannt
neu, fern sind (Sensationalismus). Indem wir diese Ziele aber er-
gehen, hören sie auf, unbekannt, neu, fern zu sein, und sie büßen
"ren Reiz alsbald ein. Inzwischen locken dahinter bereits wieder
eue, unbekannte, ferne Dinge und sind Verlockung, so lange wir sie
loch nicht haben, um sogleich aufzuhören, Anziehung zu sein, wenn
^lr sie ergreifen. Auch dieser wichtigste Vorgang in der Seele, das
ar>taluserlebnis: daß sich uns innerlich entzieht, was wir äußerlich
greifen, — es spiegelt sich in der Landschaft.

Der Relativismus, der den Dingen nur unter einer gewissen Per-
fektive, der Ferne nämlich, Reiz zuerkennt, entwertet das einzelne
lng, das nun keinen absoluten Wert mehr hat, aber er gibt dafür
'en Dingen die Möglichkeit, Lockung zu werden, wofern sie nur
nter die Perspektive des Fernen, Unbekannten, Neuen treten (das
'Us-Minuserlebnis des Relativismus. Eines wird genommen, alles
segeben). Der Relativismus nimmt uns das konkrete Ziel und gibt
ns die Unendlichkeit der Zielbewegung: sowohl in der Landschaft
. s im inneren Leben. Und jene fruchtbar-furchtbare Verwechslung
der Landschaft, daß wir nach den Dingen greifen, während ihr
ert doch im Subjektiven ihrer Distanz liegt, hat ihre geistige Parallele
ar'n, daß wir uns selbst, die Fühlenden, im Dienste der toten Dinge
üfopfern und diese Dinge als Ziel betrachten, während doch in Wahr-
st nur ein menschliches Gefühl, ein Bewußtseinsvorgang, nicht die
°*e Sache Ziel allen Bemühens sein kann. Dabei geschieht es jedoch
Uch hier, daß gerade das Gefühl, jener heimliche wahre Zweck alles
""Aschen, umso besser zu seiner Entfaltung kommt, je mehr es sich,
s Wäre es seinerseits nur Mittel, hinter der Sache vergißt, welche
°ch das eigentliche Mittel ist, das von sich nichts weiß.

Zeilschr. f. Ästhetik u. nlltr. Kunstwissenschaft. XVI. 14
 
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