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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Klatt, Georg: Über Landschaftsschilderungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0025

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ÜBER LANDSCHAFTSSCHILDERUNG. ig

aber gewinnt man die Überzeugung, daß sich der Schilderer des Ernstes
seiner Aufgabe bewußt ist. Man möchte wünschen, daß er sich vor
allem gewisse künstlerische Orundanschauungen zu eigen
gemacht habe. Mit diesem Worte möchte ich am liebsten das be-
zeichnen, was den Erzeugnissen ihren Stil geben soll; von »Kunst-
absichten« zu reden, klänge allzusehr nach Gedankenarbeit, »Kunst-
regeln« würde Pedanterie befürchten lassen, geschweige, daß man
bei Dingen, die sich so schwer mit den Fingern greifen lassen, von
»Gesetzen« sprechen dürfte. Mag man es nennen, wie man will. Da-
bei ist übrigens ohne weiteres klar, wie der Große zu diesen »Gesetzen«
steht: er folgt ihnen nicht, sondern er schafft sie. Seinen Werken
entnehmen wir sie, und dem Kleineren wird es, wenn er sie in sich
aufnimmt, möglich sein, — nicht Werke wie der Große zu schaffen,
aber sich zum mindesten vor groben Fehlern zu bewahren. Solchen
Fehlern begegnet man aber immer wieder, und sie beweisen eben, daß
sich die Naturschilderer nicht die rechten Grundanschauungen erworben
haben.

Wenn man sich bemüht, sich klar zu fühlen und klar zu denken,
so gelangt man mit Notwendigkeit zu einer Erkenntnis, die sofort ihre
geradezu erlösende Kraft offenbart. Ich möchte sie in diese Worte
fassen: Wenn du die Natur schildern willst, so darfst du
nicht rechts und nicht links blicken; deine Sinne und Ge-
danken seien einzig auf die Natur gerichtet, die du zu
schildern unternimmst.

Diese Wahrheit sieht erstaunlich einfach aus, — Wahrheiten haben
ja öfter diese Eigentümlichkeit. Aber das Einfache — auch das wird
uns ja oft bestätigt — ist nicht immer das Nächstliegende. Die Leute
machen die seltsamsten Kreuz- und Quersprünge, sie geraten auf die
lächerlichsten Abwege, anstatt gerade auf das Ziel loszugehen. Man
scheint von der sonderbaren Ansicht geleitet zu werden, in einer Schil-
derung genüge es nicht, von der Natur zu reden, sondern man müsse
durchaus etwas »Besonderes« bringen. Da man nun oftmals in Vers
und Prosa mit klingenden Worten von Berg und Tal und Feld und
Wald hat reden hören, so setzt sich, wenn auch unbewußt, sozusagen
als erster ästhetischer Grundsatz fest, man müsse die Natur vor allem
»schön« schildern. Damit biegt man in der verhängnisvollsten Weise
vom rechten Wege ab. Jetzt ist man nur darauf aus, nach schönen
Worten zu suchen. In jeder Schilderung aber ist nur der treffende
Ausdruck der rechte. Den treffenden Ausdruck zu finden, ist durch-
aus keine kleine Sache, das muß man sich einmal klar machen. Und
auch das ist ein Irrtum, daß nur eine trockene Schilderung zustande
kommen könne, wenn man nicht die schönen, sondern »nur« die
 
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