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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0136

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130 BESPRECHUNGEN.

Gegen alle Einwendungen im Einzelnen deckt den Verfasser der Panzer strahlender
Naivität, der ihn schier unverwundbar macht. Eine Naivität, die manchmal direkt
an die Tage Albrecht Dürers gemahnt und die besonders grotesk wirkt, wenn sie
sich ins Reich der Metaphysik und Mystik verirrt (S. 95). Naivität dem Kunstwerk
gegenüber kann wohl dem Genießenden von Vorteil sein, läßt sich aber durch
Worte kaum auf andere übertragen und kann auch nicht das Substrat einer »neuen
Wissenschaft« bilden.

So fragt man sich nach der Lektüre dieser Schrift — zwischen Unmut und
Heiterkeit schwankend: Muß und darf man denn immer noch über bildende Kunst
Alles drucken lassen, was einem gerade durch den Sinn fährt? Hat Amerika auch
darin ein weiteres Gewissen als wir? Balch hat seine Bekenntnisse in englischer
Sprache als Privatdruck erscheinen lassen. War es notwendig — zumal in den
Zeiten bedrohlichen Papiermangels —, sie in deutscher Übersetzung der Allgemein-
heit, »dem Laientum aller Welt«, wie der Übersetzer sagt, zugänglich zu machen?
Verworrenheit verwirrt, und ich vermag nicht zu erkennen, daß mit dieser Über-
setzung erheblicher Nutzen gestiftet sei, zumal sie — obzwar von einem Germanisten
herrührend — nicht frei von Unklarheiten und Entgleisungen ist. Sie beweist aufs
neue, daß die wissenschaftliche Terminologie bei ernsthaften Auseinandersetzungen
auf dem Gebiete der Kunstwissenschaft unentbehrlich ist. Wortbildungen , wie
»grundleglich«, »vernotwendigen«, »kunstverständnisfremd« vermag ich nicht als
Bereicherung unseres Sprachschatzes anzuerkennen; grobe Schnitzer, wie »die ledig-
liche Allgemeinbildung«, »ausreichendst«, »nachahmendst« dagegen dürfen der
Feder einen Germanisten nicht entschlüpfen. Wir nähmen sie aber gern in den
Kauf, wenn der inhaltliche Ertrag des Buches uns für solche Härten nur halb-
wegs entschädigen und ein näheres Eingehen auf sachliche Einzelheiten in einer
wissenschaftlichen Zeitschrift rechtfertigen würde.

Dresden. Ludwig Kaemmerer.

Karl Brandi, Die Renaissance in Florenz und Rom. 8 Vorträge. 5. Auf-
lage. Leipzig 1921.

Der Kampf gegen die italienische Renaissance und ihren angeblich so verderb-
lichen Einfluß auf die Entwicklung der deutschen Kultur, wie er von den Benz und
Genossen mit manchmal recht schartigen Waffen geführt wird und in der geistigen
Zerrissenheit unserer Tage und dem hilflosen Tasten nach den letzten Ursachen
dieses Zustands einen ungemein günstigen Nährboden findet, hat es nicht ver-
hindern können, daß Brandis Einführung in das Verständnis der Renaissance-Kultur
sich rasch Bürgerrecht innerhalb der heute ja immer noch nicht sehr großen Ge-
meinschaft kulturgeschichtlich interessierter Menschen errungen hat. Gewiß ist heute
die Forderung: mehr Kulturgeschichte an Stelle der politischen und Kriegsgeschichte
zum Schlagwort vor allem schulpädagogischer Programme geworden; alle gutge-
meinten Versuche, diese an sich gewiß berechtigten Forderungen praktisch zu ver-
wirklichen, müssen aber so lange scheitern oder nur zu halbdilettantischen Lösungen
führen, solange über Methode und Grenzen kulturgeschichtlicher Forschung und
Darstellung der Streit noch tobt, ja solange diese ihre volle Gleichberechtigung im
Rahmen der historischen Gesamtwissenschaft sich noch nicht erkämpft hat.

Brandi folgt vorsichtig und gemessenen, wohlüberlegten Schrittes den Bahnen,
die einst Jakob Burckhardt so vorgezeichnet hat, daß trotz allen Widerspruchs im
einzelnen hier der Weg aller späteren Arbeit klarer gewiesen blieb, als in irgend-
einem anderen Bereich kulturgeschichtlicher Forschungsarbeit. Dem Zeitalter, dem
wie keinem andern ästhetische Wertung aller Lebensgüter den Stempel aufdrückt,
 
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