MIGNON. UNTERSUCH. ÜB. D. STRUKTUR EIN. GOETHESCHEN GEDICHTES. 157
geprägten Vortrag einfach nach der Wortbetonung liest, so bemerkt
^an im wesentlichen einen regelmäßigen Wechsel von unbetonten und
betonten Silben, also einen jambischen Vers, der in den Versen Strophe I,
'l u- 4, II, 1 u. 4, III, 1 u. 4 sich am ungezwungensten ergibt; in den
übrigen Versen sind bei jambischer Lesung leichtere oder schwerere
w<derstände zu überwinden. Aber gerade an diesen Widerständen kann
man die Art und den Grad der rhythmischen Bewegtheit als Ausdruck
es inneren Lebens erkennen. — In seiner »deutschen Verslehre« stellt
aran den Satz auf, daß das Metrum eines Gedichts »erst Ergebnis
lr,es Kampfes und Kompromisses zwischen der Sprache und einer zu
erschließenden unelastischen Form« sei (a. a. O. S. 135). Stellt man also
Nächst diese unelastische Form der natürlichen Schallform der Rede
gegenüber, so hat man auf beiden Seiten einen sicheren Ausgang, und
le von Fall zu Fall verschiedenen Vereinigungen werden einen festen
. aßstab der Beurteilung bekommen. Das Schema für unser Gedicht
st der jambische Fünffuß. Ich wähle diesen Ausdruck, trotzdem die
^oderne deutsche Metrik die Anwendung der griechischen Metra-
Nennungen auf die deutsche Dichtung verpönt. Die modernen Metriken
>nd aoer noc[1 so wenjg einheitlich, selbst in ihren grundlegenden
Zeichnungen, daß es doch tunlich scheint, für eine vorläufige Orien-
erung über das Schema die alten Bezeichnungen anzuwenden, weil
,e einigermaßen unmißverständlich sind. Und dann darf man noch eins
cht vergessen: zu Goethes Zeiten wollte man »Jamben« schreiben,
etl metrischen Kanon der Zeit finden wir später in Vossens »Zeit-
essung der teutschen Sprache«, in der genaue Regeln die Schwere-
""nältnisse der deutschen Sprache wie die Quantitäten der Antike zu
ssen suchen. Auch braucht man damals unbedenklich die Ausdrücke
urz« und »lang« für »leicht« und »schwer«, man vergleiche z. B.
Cr"llers Bemerkung zu unserm Gedicht (an Goethe, 11. August 17Q5):
n dem Gedicht am Schluß haben Sie ein Wort lang gebraucht, das
Urch die Stellung notwendig kurz wird, und ein Zeitwort kurz, das
ng bleiben muß.« Hält man dieser Bemerkung Schillers eine Stelle
s Sarans deutscher Verslehre entgegen, so wird man sehen, was die
amalige Metrik in ihrer Methode prinzipiell von der neuen unter-
eheidet. Saran sagt: »Bei guten Versen darf das natürliche, nicht re-
ntierende Sprachgefühl des Hörers von einem Gegensatz des Metrums
Ur Schallform der Sprache nicht das geringste merken. Es merkt auch
atsächlich nichts davon. Alle solche Widersprüche sind nur
cheinbar: sie lösen sich sofort, wenn man dem Vers seine ihm zu-
0rnmende Sprechart, die so gut wie immer ethisch gefärbt ist, gibt.«
"eb man also früher bei dem Erschließen des starren Schemas stehen
nd erklärte von ihm aus dogmatisch alles für falsch, was sich ihm
geprägten Vortrag einfach nach der Wortbetonung liest, so bemerkt
^an im wesentlichen einen regelmäßigen Wechsel von unbetonten und
betonten Silben, also einen jambischen Vers, der in den Versen Strophe I,
'l u- 4, II, 1 u. 4, III, 1 u. 4 sich am ungezwungensten ergibt; in den
übrigen Versen sind bei jambischer Lesung leichtere oder schwerere
w<derstände zu überwinden. Aber gerade an diesen Widerständen kann
man die Art und den Grad der rhythmischen Bewegtheit als Ausdruck
es inneren Lebens erkennen. — In seiner »deutschen Verslehre« stellt
aran den Satz auf, daß das Metrum eines Gedichts »erst Ergebnis
lr,es Kampfes und Kompromisses zwischen der Sprache und einer zu
erschließenden unelastischen Form« sei (a. a. O. S. 135). Stellt man also
Nächst diese unelastische Form der natürlichen Schallform der Rede
gegenüber, so hat man auf beiden Seiten einen sicheren Ausgang, und
le von Fall zu Fall verschiedenen Vereinigungen werden einen festen
. aßstab der Beurteilung bekommen. Das Schema für unser Gedicht
st der jambische Fünffuß. Ich wähle diesen Ausdruck, trotzdem die
^oderne deutsche Metrik die Anwendung der griechischen Metra-
Nennungen auf die deutsche Dichtung verpönt. Die modernen Metriken
>nd aoer noc[1 so wenjg einheitlich, selbst in ihren grundlegenden
Zeichnungen, daß es doch tunlich scheint, für eine vorläufige Orien-
erung über das Schema die alten Bezeichnungen anzuwenden, weil
,e einigermaßen unmißverständlich sind. Und dann darf man noch eins
cht vergessen: zu Goethes Zeiten wollte man »Jamben« schreiben,
etl metrischen Kanon der Zeit finden wir später in Vossens »Zeit-
essung der teutschen Sprache«, in der genaue Regeln die Schwere-
""nältnisse der deutschen Sprache wie die Quantitäten der Antike zu
ssen suchen. Auch braucht man damals unbedenklich die Ausdrücke
urz« und »lang« für »leicht« und »schwer«, man vergleiche z. B.
Cr"llers Bemerkung zu unserm Gedicht (an Goethe, 11. August 17Q5):
n dem Gedicht am Schluß haben Sie ein Wort lang gebraucht, das
Urch die Stellung notwendig kurz wird, und ein Zeitwort kurz, das
ng bleiben muß.« Hält man dieser Bemerkung Schillers eine Stelle
s Sarans deutscher Verslehre entgegen, so wird man sehen, was die
amalige Metrik in ihrer Methode prinzipiell von der neuen unter-
eheidet. Saran sagt: »Bei guten Versen darf das natürliche, nicht re-
ntierende Sprachgefühl des Hörers von einem Gegensatz des Metrums
Ur Schallform der Sprache nicht das geringste merken. Es merkt auch
atsächlich nichts davon. Alle solche Widersprüche sind nur
cheinbar: sie lösen sich sofort, wenn man dem Vers seine ihm zu-
0rnmende Sprechart, die so gut wie immer ethisch gefärbt ist, gibt.«
"eb man also früher bei dem Erschließen des starren Schemas stehen
nd erklärte von ihm aus dogmatisch alles für falsch, was sich ihm