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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 2
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Kjerbüll-Petersen, Lorenz: Zur Erinnerung an Konrad Lange
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0221

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BEMERKUNGEN. 215

'"'«ältlichen« Gefühle wirkende Vorstellung des Künstlers, dessen person-
ellen Stil wir im Kunstwerke wahrnehmen und als wesentlichen Bestandteil der
asthetischen Anschauung genießen.

Bekanntlich sind diese Lehren Langes von vielen Seiten lebhaft angegriffen
Worden; insbesondere ist dies bei dem behaupteten Oszillieren des Bewußtseins der
all. NaCn meiner Meinung ist diese Frage, wiewohl psychologisch von erheblichem
presse, so doch im Zusammenhange der Theorie von sekundärer Bedeutung. Es
^scheint mir als wahrscheinlich, daß Lange bei der Illusion — deren Bedeutung
Ur den ästhetischen Genuß doch wohl im Grunde niemand ernstlich wird ableugnen
Ollen, wenn er vielleicht auch nicht in ihr den von Lange behaupteten »Zentral-
lz<: sieht — ursprünglich an ein gleichzeitiges Erlebender beiden Vorstellungs-
«ien gedacht hat und nur durch den Umstand, daß er ein solches mit den da-
ngen psychologischen Lehren vom Bewußtsein nicht in Einklang zu bringen ver-
°chte, zu seiner Oszillationstheorie gedrängt worden ist. Freilich hat er dann aus
f Not immer mehr eine Tugend zu machen gesucht, indem er schließlich so weit
°"|gi dem ständigen Bewußtseinswechsel als solchem einen eigenen Lustwert
e'zulegen, den dieser doch wohl kaum besitzt. Wiederum berührt er sich — ohne
'genes Wissen übrigens! — eng mit dem französischen Illusionismus, in erster
'nie abermals mit Stendhal. Auch die restlose Aufteilung sämtlicher formaler wie
"«ältlicher Merkmale des Kunstwerks in täuschungfördernde und täuschunghindernde
^le«iente führt oft zu keiner Klärung. Man denke beispielsweise nur an die ästhe
'sehen Funktionen etwa von Rhythmus und Reim, und man sieht sofort, wie wenig
a" hier mit täuschungfördernden beziehungsweise hindernden Elementen weiter-
kommt.

Alle solche Einwendungen jedoch — und es gibt kaum einen Punkt, der nicht
1 Einwendungen herausforderte — bedeuten wenig gegenüber der Totalität des
efks. Man mag zum Illusionismus persönlich stehen, wie man will, die Tat-
CMe) daß Konrad Lange in seinen Schriften diese ästhetische Betrachtungsweise
ysternatisch verankert und sie bis zur äußersten Konsequenz der sich ergebenden
. Cu'"ßfolgerungen verfolgt hat, bedeutet auf alle Fälle einen hohen Gewinn für die
issenschaft, mit der Konrad Langes Name unlösbar verbunden bleiben wird, einen
ewinn, den auch seine schärfsten Gegner wie Meumann und Streiter bei voller
«jektivität hätten anerkennen müssen. Freilich, es war schwierig, Lange gegen-
Der objektiv zu sein. Es lag im Wesen dieser Kampfnatur, daß sie alles auf eine
Polemische Spitze trieb. Der Umstand, daß das System die Reaktion gegen eine
°rhandene Richtung, die Einfühlungstheorie, bildet, trägt zur Verschärfung dieser
P'tze bei. Zudem ist Langes Stil nichts weniger als leidenschaftslos-konziliant. In
Jec)em Satze offenbart sich — bei aller formaler Eleganz — das Herrentum seiner
arren niedersächsischen Natur. Kein grober Klotz, für den nicht Lange einen noch
s oberen Keil fand, den er mit grimmigem Behagen eintrieb. Und doch wäre es
Sr"ndfalsch in ihm einen despotischen Rechthaber zu sehen. Er liebte den wissen-
ctiaftlichen Kampf, aber er liebte ihn nicht um seiner selbst, sondern um der Wahr-
st willen, deren Diener er allzeit war.

Mit seiner Theorie wollte Lange vor allem ein Werkzeug schaffen, einen Maß-
sta°, mit dem man Wert oder Unwert der künstlerischen Erscheinungen sollte ab-
messen können; und es ist in der Tat erstaunlich, wie trefflich das Werkzeug in
de« sicheren Händen des Meisters arbeitet. Langes an Hand der Illusionstheorie
^fällte Kunsturteile sind selten schief, und wenn er vielleicht dem Wertvollen etwa
am Expressionismus nicht gerecht zu werden vermochte, so lag die Schuld dafür
n'c"t an der Theorie, sondern an der gefühlsmäßigen Gebundenheit des Theore-
 
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