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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0258

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252 BESPRECHUNGEN.

Muthesius u. a. erkennen lassen. Architektur ist nur bei wechselseitiger Durch-
dringung beider Faktoren möglich, da der Raumzweck aus dem Wesen dieser Kunst
nun einmal schlechterdings nicht ausgeschaltet werden kann. Daß es bei solcher
Durchdringung nicht immer ohne Reibungen persönlicher und methodischer Art
abgeht, ist selbstverständlich und kein Schaden. Sie erzeugen Wärme, führen der
Abstraktion neues Blut zu und durchgeistigen die Praxis.

Auch Fritz Schumacher, der feinsinnige Baudirektor Hamburgs, dem die
Bauästhetik bereits mehrere wertvolle Werke und die Alsterstadt eine stattliche Reihe
öffentlicher, z. T. erst während des Krieges entstandener Backsteinbauten verdankt,
fühlt sich gedrungen, mit der Feder, die er ebenso gewandt handhabt wie den
Zeichenstift, sich und anderen Rechenschaft darüber abzulegen, welche Erkennt-
nisse ihm aus seiner künstlerischen Tätigkeit erwachsen sind. Wir danken ihm
dafür und zählen — das sei voraus bemerkt — sein Buch über das Wesen des
neuzeitlichen Backsteinbaues« zu den wertvollsten Erscheinungen auf dem neuer-
dings mit so lebhaftem Eifer ausgebauten Grenzgebiet zwischen Ästhetik und Bau-
kunde. Den Lesern dieser Zeitschrift wird begreiflicherweise der erste Teil des
150 Seiten umfassenden mit zahlreichen Abbildungen ausgestatteten Buches 'Zur
Ästhetik des Backsteinbaues« besondere Teilnahme abnötigen.

Seit den Tagen Gottfried Sempers ist man allerdings bei zunehmendem Psych0'
logismus (A. Göller, H. Cornelius, A. Schmarsow, G. Frankl) von der sogenannten
Materialästhetik etwas abgerückt; gleichwohl wird jeder noch so einseitig psych0'
logisch gerichtete Ästhetiker die Ausführungen Schuhmachers mit Vergnügen und
Nutzen lesen. Schon die Wahl seines Standpunktes außerhalb des nur allzubeliebten
Bezirks, in dem sich meist Lobredner der norddeutschen Ziegelarchitektur mit den
abgegriffenen, historisch-sentimentalen Schlagworten von »bodenständiger Heimats-
kunst« tummeln, nimmt für den Verfasser ein. Aus dem Zwang, den die an fla'
türlichen Baustoffen arme norddeutsche Tiefebene dem Architekten ehedem auf-
erlegte, und der auch heute noch trotz erleichterter Transportmöglichkeiten als
wirtschaftliche Not empfunden wird, gilt es eine künstlerische Tugend zu machen'
die dem Ziegelbau seine hohe Rangstellung in Gegenwart und Zukunft sichert.
Auf dem Weg zu diesem Ziel, dem Schumacher selbst sich in seiner Werktätig'
keit bedeutsam genähert hat, sind ihm die wesentlichen Eigenschaften des Bau-
stoffs, dessen mechanische Haltbarkeit (die der des Hausteins gleichkommt), w'e
seine konstruktive Schmiegsamkeit (die jene des Hausteins übertrifft) besonders
deutlich zu Bewußtsein gekommen. Mehr noch entscheidet für die rein ästhetische
Wertung des Materials die sinnliche Wirkung der Oberfläche, die koloristische
Entfaltung von weit größerem Reiz ermöglicht, als der einfarbige Haustein, soWe
der Zwang, die ungebrochene Fläche und Masse selbst als Ausdrucksmittel zu be'
nutzen. Damit werden der Gestaltungskraft des Architekten besondere Aufgabe'1
gestellt, die mit innerer Notwendigkeit in das Reich des Monumentalen führen•
Die Gefahr der Leere und Vernüchterung begegnet die Flächenbereicherung des
Ziegelbaus durch das Spiel der Fugenlinien und Mehrfarbigkeit. Der bunt glasierte"
Kachelverkleidung ist Schumacher allerdings abgeneigt, empfiehlt dagegen Klinker'
plastik und Keramik im Charakter des Steinzeugs (S. 32 ff.). Auch die Verbindung
von Haustein- und Ziegelmaterial verlangt, wie er mit Recht betont, feinsten s"'
listischen Takt und Zurückhaltung, soll die Gefahr des Spielerischen und des Mi»'
klangs vermieden werden.

Fast möchte man von einer ethischen Bewertung der Backsteintechnik sprechen«
wenn der Verfasser deren erzieherische Eigenschaften für den Baukünstler, besonder
eingehend erörtert (S. 44 ff.). Man darf darin wohl einen Rückschlag gegen d'e


 
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