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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 4
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Hauttmann, Max: Ein Beitrag zur Kunstpädagogik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0509

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BEMERKUNGEN.

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tionen wären ja nur vom körperlichen Gebilde selbst zu gewinnen, die Versuche,
sie aus der Photopraphie herzustellen, verdeutlichen aber jedenfalls den räumlichen
Charakter, die Auflösung der plastischen Geschlossenheit. Man müßte solche Projek-
tionen einmal ganz exakt mit den Mitteln der darstellenden Geometrie aufreißen. —
Wir machten auch Versuche, unter die Projektionsbilder von Reliefs das Szenarium
'm Grundriß aufzuzeichnen und eine Reihe zu bilden: anfangend mit irgend einem
vollständig in eine Ebene eingeordneten Relief — dann der Straßburger Marientod
mit seiner parallelen Schichtung mehrerer sauber getrennt hintereinandergestellter
Plane — Jüngstes Gericht des Bamberger Fürstenportals, das die hintereinander-
üegenden Plane ineinander überführt und miteinander verschlingt — endlich Abend-
mahl des Naumburger Lettners, dessen Grundriß nicht mehr durch Parallelen oder
Wellenlinien, sondern nur durch eine geschlossene Figur, die die zusammenhängende
Tiefenentwicklung anzeigt, zu bestimmen ist. So leicht man das Verhältnis klar

Abb. 2.

a. Innichen,
Ende 12Jahrh.

b. Wessobrunn,
Mitte 13. Jahrh.

Zeichnung von Jos. Blatner.

machen und schematisch wiedergeben kann, so schwer ist es, eine präzise zeich-
nerische Form dafür zu gewinnen, weshalb hier auf die Wiedergabe dieser Versuche
verzichtet wird.

Sehr nützlich ist dieses Durchzeichnenjzur Demonstrierung der Wandlungen in
der Faltenbehandlung. Wir stellten z. B. eine Reihe von weiblichen Gewandfiguren
zusammen als Gerüst für die Entwicklung vom 11. bis zum 13. Jahrhundert (Abb. 3):
die Frauenfigur vom Turm der Mauritzkirche in Münster (I) als Beleg für die schindel-
artig aufeinandergedeckten Flächen des 11. Jahrhunderts, die QuedlinburgerÄbtissin (II)
für den eckig gebrochenen, zeichnerisch-flächigen Linienstil der 1. Hälfte des 12. Jahr-
hunderts, die Kölner Plectrudis (III) mit ihrem größeren plastischen Gehalt, den stärker
herausgearbeiteten, klarer gegeneinander abgesetzten Falten überleitend zu dem
klassischen Faltenstil, den die Ecclesia aus der Freiberger Goldenen Pforte (IV) mit
ihrem Formreichtum und dem Maße plastischer Durchknetung auf seinem Reifepunkt
zeigt; bei der Naumburger Gerburg (V) der Umschlag ins Malerische: ganz von
selbst, ohne vorausgehende Vereinbarung, fing der Zeichner der hier abgebildeten
 
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