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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0139
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BESPRECHUNGEN.

Zeiten nicht von »grüngefärbten« sondern nur von »grünen, nicht entfärbten« Gläsern
sprechen; Schliff und Schnitt sind streng auseinander zu halten; vor allem aber kann
man keine Überfanggläser mit dem Stichel bearbeiten, wie dies (I, 72) behauptet
wird. Namen und Bezeichnungen, die die Wissenschaft schon lange ausgeschwitzt
hat, wie »Filigran- und Petinet-GIäser«, sollten nicht wieder fröhliche Urständ feiern,
mehrdeutige Bezeichnungen wie »Schmelzwirker« ließen sich, wenn man schon das
französische Wort »Emailleur« vermeiden will, durch »Schmelzkünstler« ersetzen.

Übrigens hat die Geschichte des Kunstgewerbes in den letzten 20 Jahren manche
Fortschritte gemacht, die eine Berücksichtigung hätten finden können. Wir sind
heute über das romanische und frühgotische Möbel viel besser unterrichtet als ehe-
dem und haben auch, namentlich wieder durch O. von Falke, die Tätigkeit hervor-
ragender Meister der Metallbearbeitung wie etwa des Nicolaus von Verdun, der auch mit
den bedeutendsten Bronzegüssen seiner Zeit zusammengebracht werden kann, kennen
und schätzen gelernt. Wir überschauen auch die mittelalterliche Keramik schon sehr
gut, da uns von Bode, Grill und andere über Gefäße, Model und Fliesen viel Wert-
volles zusammenzustellen wußten. All dies hätte man entsprechend berücksichtigen
können, wenn man mit dem selbst kleinen Umfang hausgehalten und längere Exkur-
sionen, wie die über die Glastechnik vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, selbst
über das optische Glas, das hier niemand, am wenigsten in einem Bändchen über
die gotische Zeit, sucht, für später aufgehoben hätte.

Mit einer gewissen Besorgnis sieht man den nächsten Bändchen von der Renais-
sance an entgegen, da hier ganz andere Vorarbeiten zugrunde gelegt werden
müssen, als es die mitunter recht ungleichen Arbeiten aus dem zweibändigen Kom-
pendium von 1907 sind. Die kunstgeschichtliche Wissenschaft hat uns in der Zwischen-
zeit so viel gute Einzelforschungen und zusammenhängende Darstellungen, ander-
seits aber auch ein so reichhaltiges Bildermaterial beschert, daß die Zeit vom 16.
bis Ende des 19. Jahrhunderts heute ganz anders vor uns dasteht als ehedem. Wenn
wir über die Möbel, Teppiche, Metalle, Fayencen und Porzellane sowie auch die
Gläser wieder nur vorwiegend Auszüge der zweibändigen Geschichte bekommen
sollten, dann wäre es doch schade um den Druck.

Zu den Illustrationen, die im allgemeinen recht gut gewählt sind, muß
leider gesagt werden, daß der kleine Maßstab der 8°-Tafeln trotz der im allgemeinen
guten Netzätzungen vielfach nicht genügt. Der abgebildete Goldschmuck von Troja wie
der Tassilokelch von Kremsmünster läßt das, worauf es ankommt, ebensowenig erken-
nen, wie der Bamberger Kaisermantel Heinrichs II., die Bernwardsäule von Hildesheini
oder etwa die gotische Zinnkanne im Berliner Schloßmuseum. Entweder müssen mehr
Tafeln dazukommen oder man muß sich auf noch weniger Gegenstände beschränken.

Bei aller Anerkennung der guten Absichten Lehnerts wäre doch die Frage auf-
zuwerfen, ob derartige populäre Publikationen nicht besser von irgend einem jüngeren
Beamten eines größeren Kunstgewerbemuseums gemacht werden sollten, der mit
den Gegenständen in beständiger unmittelbarer Verbindung steht und die fast täg-
lich anwachsende Literatur in den maßgebenden Zeitschriften unausgesetzt verfolgt.
Dagegen könnte vielleicht gerade Lehnert die ästhetischen Fragen mehr in sein
Arbeitsbereich einbeziehen, zumal ihm von seiner langjährigen Berliner Tätigkeit
her namentlich die Gesamtentwicklung der letzten 100 Jahre sehr geläufig ist, und
er überdies als gereifter Mann ein abgeklärtes Urteil haben wird, um auch den
lauten modernen Strömungen gegenüber, soweit es sich noch um Experimente han-
delt, sich nicht aus der Fassung bringen zu lassen. So wird voraussichtlich das letzte
Bändchen der Folge das beste und nützlichste sein können.

Stuttgart. Gustav E. Pazaurek.
 
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