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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0246
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BESPRECHUNGEN.

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zu begreifenden Parallelen verknüpfen sollen, notwendig vielfach abreißen oder sich
verwirren müssen, so daß aus gesetzlichem Verständnis Willkür wird und nur
scheinbar oder äußerlich Zusammengehöriges unter Nichtberücksichtigung der völlig
veränderten Funktion noch verglichen wird.

Dieses Bestreben nach möglichster Rationalisierung des Verhältnisses Plotin-
Qoethe läßt den Verfasser nun natürlich größtes Gewicht auf Goethes unmittelbare
Kenntnis Plotins legen. Er weitet in diesem Sinne, um nur von der Hauptsache zu
reden, die doch wohl recht dürftige Beschäftigung Goethes mit dem großen Alexan-
driner nach Kräften aus, sucht aus einer Variante in »Dichtung und Wahrheit«
früheste Plotinstudien zu erschließen, ohne aber, wenigstens für meine Auffassung,
wirklich Durchschlagendes für seine Ansicht beizubringen.

Daß Goethe als Repräsentant der neuplatonischen Wirkungen auf das deutsche
18. Jahrhundert gewählt wird, ist aus seiner Bedeutung als künstlerische Potenz und
Vereiniger der gesamten Kultur seiner Zeit gewiß ohne weiteres verständlich.
Und doch steht dem, wenn man eben von Wirkungen reden will, ein Bedenken
entgegen: Das ist das Organisierte und Organisierende seiner Gestalt. Selbst wirk-
liche Einflüsse sind so unlöslich seiner Persönlichkeit eingeschmolzen, daß bekannt-
lich wenige Aufgaben so schwer sind wie die aufzuzeigen, was Goethe von außen
her gekommen ist. So wirkt auch in dieser Arbeit die Beschäftigung mit Goethe,
bei der gewiß des Interessanten und Bedeutenden genug herauskommt, immer
wieder wie das Plotinische Prinzip des schaffenden Spiegels: Von Goethe aus er-
gießen sich unaufhörlich in der Rückschau wertvolle Blicke auf andere Persönlich-
keiten, deren Analysierung und Inbeziehungsetzung leichter zu unternehmen ist als
bei jenem. Man kann dieses Vorgehen geradezu als eine latente Methode des Buches
bezeichnen. So kommt es zu ausgezeichneten Bemerkungen über Leibniz, Shaftes-
bury, K. P. Moritz und Herder. Noch ein anderes und Letztes ist es, was, ebenfalls
mit der eminent aufbauenden und organisierenden Kraft Goethes zusammenhängend,
bei seiner Einbeziehung in ähnliche Fragen immer zur Vorsicht mahnt. Wie weit
liegt doch Selbstschöpfung vor? Der möglichen Wurzeln für eine Anschauung der
Welt sind immer nur ganz wenige. So mußten auch immer wieder ähnlich fundierte
Systeme entstehen, selbst wenn sie in keiner Verbindung miteinander standen. Nicht
nur die Gesamtkulturen der Menschheit, auch alle Einzelgebiete, auf denen sich
menschlicher Geist zu betätigen pflegt, gehören in den Bereich der Konvergenz-
erscheinungen. War nun in Goethe, gleichviel woher, eine solche Wurzel aufge-
gangen, so trieb sie Blätter und Blüten, wie es ihrer Art zukam. Der Verfasser be-
tont selbst des öfteren — ähnliches gilt ja auch etwa für Schelling — wie stark
infolge der gemeinsamen künstlerischen Organisation die Parallelität der beiden
hier betrachteten Naturen sich auswirken mußte. Auch von hier aus gesehen, müssen
da so runde Behauptungen wie diese: »Man kann das, was man Goethes Pantheis-
mus genannt hat, ruhig bis auf Plotin zurückführen . . bedenklich stimmen, Be-
denken, die durch das folgende Zugeständnis entgegenkommender Anlagen eher
noch gesteigert werden. Um nur noch eine Einzelheit dieser Art anzufügen, wäre
die Erörterung der Möglichkeit, daß der Fischer« einen Schluß auf vorangegangene
Plotinlektüre erlaube, auch besser unterblieben. Hier hat doch der Zwang des
Themas dem vielfach bewiesenen Feingefühl für die Bedingtheiten des Dichters
einen Streich gespielt.

Und gleichwohl ein fruchtbares Buch! Schon bei der Durchsicht der Kapitel-
überschriften sieht man es. Das bisher höchstens vom ästhetischen Standpunkt etwas
näher beleuchtete Thema ;in seiner ganzen beziehungsreichen Tiefe zu erfassen ,
das ist Kochs Unternehmung. Nachdem er in zwei Kapiteln das System Plotins
 
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