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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0251
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238

BESPRECHUNGEN.

schlechthin Wirkliche ist und das Tun des Menschen nur Beziehungen des Seins
aufdecken kann« (3). Demgegenüber steht ihm — Pongs schließt sich hier Nietzsche
an — als deutsche Sonderart »unbegrenzte Herrschaft des schöpferischerkennenden
Selbst über die Sprache« (20). »Es ist der Triumph des auf sich zurückgeworfenen
Ich, der heroischen Einsamkeit, die keiner im Stoff sich bietenden Beruhigung
weicht, die all ihr Gesetz nur erkennt im Wie« (19,20). Hierzu ist zu bemerken,
daß keineswegs nur für griechische Sonderart kennzeichnend ist'), vielmehr für das
Wesen jeder wissenschaftlichen Philosophie grundlegend sein muß jene »Anschau-
ung von der Welt, für die das Sein der Dinge das schlechthin Wirkliche ist und
das Tun des Menschen nur Beziehungen des Seins aufdecken kann«. Jede Philo-
sophie, die diesen Leitsatz aus den Augen verliert, verirrt sich unvermeidlich in
ein Meer richtungloser Phantasmen.

In Wahrheit aber ist — trotz Pongs — mit diesem wissenschaftlich philo-
sophischen Leitsatz auch jede Deutung des Metaphorischen wohl zu vereinen. Denn
welche Art von dichterischer Metapher, Bild, Gleichnis man auch ins Auge fassen
mag, anwendbar werden sie allemal erst dadurch, daß in ihnen in Beziehung zu
dem Gegebenen, auf das sie angewandt werden, sachlich eine Anwendbarkeit vor-
liegt. Vergleichbarkeit wie Ähnlichkeit oder Beziehung überhaupt kann selbstver-
ständlich nur dann und dort von Bewußtseinswesen festgestellt werden, wann und
wo Vergleichbarkeif, Ähnlichkeit, Beziehung in den sachlichen Gegebenheiten vor-
liegen. Allerdings also sind die Dinge »als ähnliche da«, ehe sie »ähnlich gefunden«
werden! Ich kann zwei Dinge ähnlich finden nur wenn und weil sie eben »ähnlich
findbare, d. h. sachlich ähnlich sind. Ob überhaupt und wann und wie ich das
feststelle, ist dabei sachlich ganz unbeträchtlich — denn die sachliche Tatsache
besteht auch ohnedies —, wenn auch in anderem Zusammenhange die Tatsache
und die Art und Weise solcher Feststellung und besonders deren Verlautbarung
höchst wichtig und neuartig sein kann. Dieselbe Sachgebundenheit gilt ungeschmälert
von jeglichem »Bild« (Metapher, Gleichnis). Wie individuell und originell der Dichter
auch ein »Bild« verwenden mag, wäre seine Verwendbarkeit nicht in der Sache
gegeben, so wäre sie garnicht möglich, wäre sie sinnlos, weil beziehungslos, wäre
es überhaupt kein »Bild«. Niemand erfindet Bilder, sondern er findet sie und
kann sie finden, weil sie eben vorfind bar, d. h. sachlich möglich sind.

Ist solche sachlich restlose Gebundenheit jedes »Bildes« in der Dichtung von
griechischer und deutscher Sonderart und ihrer Verschiedenheit völlig unabhängig,
weil sachlich in jedem Fall einfach notwendig, so ist dem Verfasser ohne weiteres
einzuräumen, daß die Verwendungsweise von dichterischen »Bildern« natürlich
sehr verschieden, und wohl auch in griechischer und deutscher Sonderart verschieden,
sein kann. Und daran ist Pongs auch wesentlich gelegen. Was er irrtümlich für
den sachlich vorhandenen, vorfindbaren Sinn von Metapher, Bild, Gleichnis fordert:
»Sprachschöpfertum«, das hat wohl Berechtigung für den Sinn ihrer jeweiligen Ver-
wendung. Freilich kann im Hinblick auf die eben entwickelte Tatsachenbedingtheit
— Finden, nicht Erfinden von »Bildern« — dem schöpferisch« dabei nur der un-
eigentliche Sinn einer besonderen Eigenart der einzelnen bildlichen Dichtersprache
zukommen, wäre doch nach dem oben Entwickelten »schöpferische« Metaphorik,
»schöpferische« Gleichnissprache im strengen Wortsinn ebenso ein Widerspruch in
sich, wie es aus den gleichen Gründen »schöpferische Erkenntnis« ist. Daß in der
dichterischen Anwendung der Bildsprache nun unendlich verschiedene, mehr an der

') Im übrigen scheint es mir noch zweifelhaft, ob die griechischen Denker in
ihrer Allgemeinheit überhaupt derart seinsgebunden vorgingen.
 
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